Das Gesetz ist eindeutig: Erben übernehmen mit dem Tod des Erblassers alle seine Rechte und Pflichten. Sie erben sein Vermögen und seine Schulden. Wer das nicht möchte, kann das Erbe ausschlagen. (§ 1942 BGB)
Mit der Zustimmung oder Ablehnung hören die Wahlmöglichkeiten auf. Die Vorschriften für den Ablauf sind sehr präzise und lassen keine Freiheiten zu. Die Möglichkeit, Fehler zu machen, ist groß.
Die Entscheidung kann daher dramatisch schiefgehen. Ein Gespräch mit Paul Grötsch, auf Erbrecht spezialisierter Anwalt bei der Münchner Kanzlei Groll, Gross & Steiner.
Nach sechs Wochen ist alles vorbei
Das Gesetz gibt sechs Wochen Zeit, um sich zu entscheiden, ein Erbe anzunehmen oder es abzulehnen. Wird die Frist verpasst, so ist das Erbe vorbehaltlos angenommen. Die Uhr läuft, sobald gesetzliche Erben, also Verwandte, vom Tod des Erblassers erfahren haben. Liegt ein Testament vor, wird der Erbfall vom zuständigen Amtsgericht schriftlich mitgeteilt. Mit der Zustellung beginnt in dieser Situation die Sechswochenfrist.
Trotz des Zeitdrucks sind vorschnelle Erklärungen gefährlich. Wer dem Gericht schriftlich mitgeteilt hat: Ich nehme das Erbe nicht an und kurze Zeit später diese Erklärung anfechten möchte, hat Probleme. Grötsch: „Die Hürden für eine solche Anfechtung sind sehr hoch“.
Die Situation – soll ich oder soll ich nicht – ist oft schwierig zu bewerten. Es kann sein, dass der Erblasser fabelhaft vorgearbeitet und eine Aufstellung aller Guthaben und/oder Schulden dem Testament beigefügt bzw. an einem vorher vereinbarten Platz hinterlegt hat. Doch häufig fehlen wichtige Informationen. Mancher Erblasser hat nicht so solide gewirtschaftet wie seine Verwandten glaubten. Er hat Schulden bei Gläubigern gemacht, von denen niemand etwas wusste. Sie müssen durch gründliche Recherchen der Erben zeitnah aufgedeckt werden. Banken anschreiben, um Auskünfte zu bekommen: Das ist zwar lästig, aber schnell erledigt. Ebenso die Nachfrage beim Altenheim oder Hospiz, ob Rechnungen offen sind. Die Überprüfung der Steuerunterlagen des Erblassers macht mehr Mühe, ist aber eine aufschlussreiche Faktensammlung. Vielleicht müssen sogar Gesprächspartner im In- und Ausland gesucht werden, die Auskunft erteilen. Nicht nur Geschäfts- auch Privatleute haben oft Geld, Gold, Wertpapiere und vor allem Immobilien im Ausland erworben. „Erben müssen manchmal wie Detektive vorgehen“, rät Fachanwalt Grötsch.
Bitte nicht berühren
Der mit den Händen greifbare Nachlass ist in dieser Phase eine Tabuzone.
Diese Warnung ist wichtig. Spontan verhalten sich Erben anders. Die Wohnung des Verstorbenen/der Verstorbenen müsste vordringlich aufgeräumt werden? Juristisch kann der Gang mit dem Staubsauger durch die Räume als Einmischung in den Nachlass und damit als Annahme des Erbes gelten. Auch eine Aufforderung des Vermieters, die Wohnung zu räumen, sollte der Erbe solange negativ beantworten, bis er sich für oder gegen die Annahme des Erbes entschieden hat.
Wer einzelne Nachlassgegenstände vorzeitig an sich nimmt, kann ebenfalls in die juristische Falle tappen. Das Auto der Mutter, das sie ihrer Tochter versprochen hatte, sollte zunächst in der Garage bleiben. Oder das vom Sohn so geschätzte Bild des Malers X, das über der Couch der Eltern hing. Bitte, nicht abhängen! Finger weg, bis das Erbe angenommen oder ausgeschlagen wurde.
Vor allem darf man keinen Erbschein beantragen, wenn man die Erbschaft ausschlagen möchte. Denn mit dem Erbschein erklärt man die Annahme. Die Möglichkeit, sie abzulehnen, wird mit einem Erbschein in der Hand zur Makulatur.
Fiktiver Tod
Doch eines Tages ist das Ziel erreicht: Der Nachlass wird ausgeschlagen. Man kann die Ausschlagung direkt beim Gericht erklären oder schriftlich an das Nachlassgericht schicken. Die Unterschrift muss jedoch von einem Notar beglaubigt werden, oder der Notar setzt das gesamte Schriftstück auf. Es ist empfehlenswert, sich bei der Erklärung beraten zu lassen, denn die genaue und juristisch korrekte Formulierung ist wichtig. Primärer Ansprechpartner sind die Fachanwälte für Erbrecht.
Mitunter wird diese Entscheidung getroffen, um eine Erbfolge zu erreichen, die besser passt. Anwalt Grötsch: „Es geht in einem solchen Fall nicht um eine Überschuldung des Nachlasses, sondern um eine Optimierung der Erbfolge. Das Gesetz betrachtet die Person, die das Erbe ausschlägt, wie einen Verstorbenen. Als hätte er den Tod des Erblassers nicht erlebt, das heißt, als wäre er vor dem Erblasser verstorben. So ergeben sich neue Konstellationen. Bei solchen Überlegungen sollte man auf der Hut sein und genau prüfen: Wer ist der Ersatzerbe? Wir hatten in unserer Kanzlei einen Mandanten, der zu uns kam, nachdem er ausgeschlagen hatte. Bei ihm ist die Ausschlagung leider völlig schief gegangen. Statt der Enkelkinder, wie beabsichtigt, kamen andere Verwandte zum Zug. Wir konnten als Anwälte nicht mehr helfen.“
Wenn alle nächsten gesetzlichen Erben einen Nachlass ausschlagen, wird er durch den Fiskus liquidiert. Ein eventueller Erlös fällt an den Staat.