Testamentsvollstrecker und Steuerberater Erwin Dreyer aus Osnabrück verhandelt die Übernahme seiner Mandate individuell und besteht zusätzlich auf eine Öffnungsklausel in seinem Vertrag, falls seine TV-Tätigkeit mehr Aufwand erfordert als vorauszusehen war. Erwin Dreyer ist zufrieden – eine Ausnahme?
Testamentsvollstrecker Ulrich Bantele aus Leonberg, dessen Einnahmen sich nach den Vergütungsempfehlungen des Deutschen Notarvereins und damit nach dem Bruttowert des Nachlasses richten, hat zwei Mandate und zweimal Ärger mit den Erben.
Testamentvollstreckerin Dorothea Wiegant aus Hamburg ärgert sich aus anderen Gründen: Sie rechnet nach ihrer aufgewendeten Zeit ab, sogar minutengenau. Mit dem Stundensatz von 220 Euro fühlt sie sich trotzdem unter Wert bezahlt.
Was ist angemessen?
Wer soll das bezahlen…?
Die „Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge“ (AGT), eine Art freiwilliger Berufsverband, weiß um die Empörungsenergie ihrer über 500 Mitglieder – und auch der Erben – beim Thema „angemessene“ Vergütung. In der Grauzone zwischen dem Wünschenswerten und der Realität gedeihen Ärger, Streit, Gerichtsverfahren. Häufige Kipppunkte sind: Der Erblasser setzt eine Testamentsvollstreckung an, seine Erben müssen die Dienstleistung bezahlen – und versuchen, die Ausgabe zu deckeln. Weiterhin wird die Testamentsvergütung, wenn nichts anderes vereinbart, erst am Ende der Tätigkeit fällig. Der TV hat allerdings die Möglichkeit, vorzeitig einen Teil seiner Vergütung dem Nachlass zu entnehmen – ohne oder mit Abstimmung der Erben. Wann und wie wird die Entnahme abgerechnet?
Die AGT hat das umstrittene Thema inzwischen zur Chefsache gemacht. Mitte Februar veranstaltete sie eine online „Spezialtagung Testamentsvollstreckervergütung“. Die Veranstaltung dauerte von 9.30 bis 18.00 Uhr mit wenigen Pausen. Das Thema ist also heiß.
Zehn Fachreferenten sollten ausloten, was getan werden kann, um die Vergütung „gerechter und kalkulierbarer“ zu machen. Ein Ehrenamt ist die Testamentsvollstreckung nämlich nicht – es sei denn, es handelt sich um eine einfache, von allen Erben akzeptierte Verteilungsaufgabe eines kleinen Nachlasses im Familienverbund.
Passgenaue Lösungen erwünscht
Das Gesetzbuch ist kein hilfreicher Streitschlichter. „Der Testamentsvollstrecker kann für die Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen, sofern nicht der Erblasser ein anderes bestimmt hat.“ So steht es im oft zitierten § 2221 BGB. Die wachsweiche Definition führt zu dem berüchtigten Streit.
Doch keiner der erfahrenen Referenten, die auf der AGT-Tagung das Thema „Vergütung“ von allen Seiten beleuchteten, rief nach dem Gesetzgeber, um für mehr Klarheit zu sorgen. Begründung: Erbfälle und Testamentsvollstreckungen seien so vielfältig und individuell, dass sie einzeln gestaltet und ausgehandelt werden müssten. Der Nachteil der unpräzisen Definition des BGB wird aufgewogen durch den Vorteil der Gestaltungsfreiheit. Die beteiligten Parteien können (wenn sie wollten!) passgenaue Lösungen für ihren Fall finden. Eine präzise und im Gesetz verankerte Vergütungsdefinition – so das Fazit der Tagung – wäre kontraproduktiv.
Die Kosten wie auch der Umfang der Dienstleistungen einer Testamentsvollstreckung werden regelmäßig unterschätzt. Nachlässe – argumentiert AGT-Vorstand und Rechtsanwalt Eberhard Rott – sind heute komplizierter als in der Vergangenheit. Stichwort: Internationalisierung, Stichwort: Patchworkfamilien, Stichwort: Diversifizierung der Vermögen, zum Beispiel durch Immobilienbesitz im In- und Ausland oder sogar Kryptowährungen.
Woran können sich die Beteiligten orientieren?
Verschiedene Vergütungsmodelle
1) Tabellen. Die Vergütung richtet sich nach der Höhe des Bruttonachlasswertes. Zum Beispiel vier Prozent bei Vermögen bis zu 250 000 Euro Nachlasswert, zwei Prozent bei bis zu fünf Millionen Euro Nachlasswert. Die Höhe der Vergütung ist nicht in allen Tabellen gleich. Am bekanntesten ist die „Rheinische Tabelle“. Sie ist die Grundlage der Vergütungsempfehlung des Deutschen Notarvereins. Was salomonisch klingt, wirft in der Praxis Probleme auf. Der erste Sachverständige der AGT-Veranstaltung, Professor Wolfgang Reimann, nannte Stichworte, wieso der Bruttonachlasswert häufig keine verlässliche Größe ist. Dass Pflichtteile nicht vom Bruttonachlasswert abgezogen werden, ist zwar die herrschende juristische Auffassung, aber keineswegs unstreitig. Werden Pflichtteile vom Bruttonachlasswert abgezogen und es ergibt sich eine Situation, die den Testamentsvollstrecker faktisch dazu zwingt, sich um die Pflichtteile zu kümmern, ist die Frage nach der korrekten Bemessungsgrundlage besonders schwierig zu beantworten. Das gilt analog für Vermächtnisse. Weiterhin wird nicht ausreichend nach dem Schwierigkeitsgrad eines Nachlasses gewichtet. Dazu braucht es Vergütungszuschläge, deren Bandbreite durchaus groß und schwer zu bestimmen ist.
2) Pauschalvergütung. Sie gilt als schlechte Lösung.
3) Vom Testamentsvollstrecker selbst festgelegte Vergütung. Einfallstor für Ärger mit den Erben.
4) Zeitvergütung. Die minutengenaue Erfassung der geleisteten Arbeit wird von vielen Testamentsvollstreckern und Erben favorisiert. Auf der Webseite der AGT gibt es von ihrem Vorsitzenden Eberhard Rott einen ausführlichen Aufsatz mit viel pro und wenig contra. Allerdings hat auch die Zeiterfassung ihre Macken. Mit welchem Stundenlohn wird multipliziert? Die Spanne liegt, analog zur Rechtsanwaltsvergütung, zwischen 190 bis 400 Euro pro Stunde. Für stupide und einfache Arbeiten sollen andere Stundensätze angesetzt werden als für schwierige Problemlösungen: Aber wer definiert den Schwierigkeitsgrad?
Kommunikation ist Pflicht
Jede Schlaumeierei – so ein weiteres wichtiges Fazit der AGT-Tagung – führt zu unbefriedigenden Lösungen, solange die Kommunikation nicht funktioniert. Der „Testamentgestaltungsberater“, der den Erblasser bei der Formulierung des Testaments unterstützt, hat die moralische und berufliche Verpflichtung, die Aufgaben und die Kosten einer Testamentsvollstreckung dem Erblasser zu erklären. Das unterbleibt häufig, weil die Entscheidungen, die in ein Testament einfließen, bereits viel Kraft/Gespräche/Termine erfordern. Ideal, wenn die späteren Erben an der Vergütungsdiskussion teilnehmen. Es gibt zum Beispiel Situationen, dass Erben, die am Ende leer ausgehen, den Testamentsvollstrecker anteilig bezahlen müssen. Auch solche Sachverhalte sind vorab zu kommunizieren. Eine Pflicht, keine Kür!
Der Begriff „Testamentsgestalter“ von Fachleuten auch „Vermögensnachfolgegestalter“ genannt, ist für Laien ungewohnt. Bei anspruchsvoll strukturierten Vermögen erfolgt ein großer Teil der Planungen von Juristen und Steuerprofis, außerhalb der Notariate, als Testamentsgestalter. Auch die Banken spielen heute als Testamentsgestalter eine große Rolle bei der Planung von Nachlässen. Die Notare sind nach den getroffenen Entscheidungen dafür verantwortlich, dass das geplante Konzept rechtlich zutreffend formuliert wird.
Was ist die „angemessene“ Vergütung, d.h die Vergütung, mit der am Ende alle Beteiligten gut leben können? Die Frage, die am Anfang der Veranstaltung stand, wurde beantwortet:
Es ist die Vergütung, die mit dem Erblasser, dem beteiligten Testamentsgestalter, dem Testamentsvollstrecker und den Erben gemeinsam vereinbart wird und Öffnungsklauseln zulässt, die von allen beteiligten Parteien unterschrieben werden.
Dieser Aufruf zur kommunikativen Harmonie ist kein Selbstläufer.
Es dürfte nicht die letzte AGT-Tagung zu diesem Thema gewesen sei.
(Die Vergütung einer Dauertestamentsvollstreckung, die sich über Jahre hinziehen kann, zum Beispiel bei einem geistig behinderten Erben, stand nicht zur Diskussion.)