Ein Testament muss eindeutig und weitsichtig formuliert sein! So steht es gebetsmühlenartig in allen Ratgebern für kluge Nachlassregelungen. Die Warnung mit Ausrufezeichen ist keine Nebensache. Ein Erbe wird zum Fluch, wenn es die Familie zerstört. Anwälte mit dem Schwerpunkt Erbrecht verdienen viel Geld mit aufwändigen Prozessen, in denen es um die Interpretation von Testamenten geht.
Der aktuelle Fall: Die Unternehmerfamilie Haub (Tengelmann) ist wegen einer weitreichenden Erbauseinandersetzug zerstritten. Es geht um Euro- und Dollarbeträge mit vielen Nullen, die schwindlig machen.
Der angesehene Senior der Familie, Erivan Haub, der Tengelmann von einem Onkel geerbt und zu einem führenden Handelskonzern ausgebaut hatte, starb hoch geachtet am 6. März 2018 mit 85 Jahren. Es war sein Wunsch, auf seiner geliebten Ranch im US-Bundesstaat Wyoming beerdigt zu werden.
Die Immobilie mit 2 500 Hektar Land, umgeben von malerischen Bergen und schimmernden Bergseen, ist eine Pretiose. Bis zu seinem Tod gehörte sie dem deutschen Handelsmann allein. Die Verteilung dieses amerikanischen Unternehmertraums wurde auf seine drei Söhne, Karl-Erivan, Georg und Christian beschränkt. Das notierte Erivan Haub auf einem Zettel. Er sah vor, dass jeder von ihnen ein Drittel bekam. Ehefrau Helga hatte gemäß seinen Grundsätzen das lebenslange Wohnrecht, was der Patriarch wohl nicht gesondert erwähnte. Es war für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Zwei oder drei Erben? Das ist die Frage
Die Fantasie des Erblassers reichte nicht aus, um sich vorzustellen, wie das Schicksal zuschlagen kann und seine wohlgemeinten Verfügungen über den Haufen wirft. Am 7. April 2018, nur einen Monat später, unternahm sein ältester Sohn Karl-Erivan eine Skitour am Matterhorn, wovon er nicht zurückkehrte. Sein Leichnam wurde nie gefunden.
So lange der älteste Sohn verschollen ist, gibt es nur zwei Erben. Oder sind es doch drei? Ein US-Gericht muss klären, ob der Geist von Karl-Erivans Zettel-Testament so ausgelegt werden muss, dass die Verteilung des Erbes an drei „Stämme“ und nicht an drei „Söhne“ geht.
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, soll sich Christian Haub, 56, in den USA Zuständigkeiten herausnehmen, die in den Augen seiner Schwägerin Katrin Haub unangemessen sind bis diese wichige Erbenfrage geklärt ist. Es heißt, dass Christian Haub seine Hand abschirmend über die dortige Familiengesellschaft hält, zu der die Besitzungen rechtlich gehören. Weiterhin habe der jüngste Sohn die Besuchsrechte der Verwandschaft auf der Ranch stark eingeschränkt. Sogar Mutter Helga soll das Grab ihres verstorbenen Mannes zwar besuchen, aber nicht mehr dort übernachten dürfen.
Der geschätzte Wert der in Naturschönheiten eingebetteten US-Immobilie wird von der SZ mit circa 35 Millionen Euro angegeben. Der Wert des Handelserbes in Deutschland liegt im Bereich mehrerer Milliarden.
Der Krämerfamilie besitzt nach dem Verkauf der Tengelmann Filialen an Edeka und Rewe, die Handels-Firmen Kik, Obi und Tedi, die Immobiliengesellschaft Trei Real Estate sowie Beteiligungen an einigen Unternehmen in den USA und in Europa darunter Zalando und Delivery Hero.
450 Millionen Euro kostet die Todeserklärung
Bis zum Tod der Seniors Karl-Erivan Haub war der Besitz der deutschen Gesellschaft so aufgeteilt: Ihm selbst gehörten 6,1 Prozent der Firmengruppe. Die drei Söhne hielten jeweils 31,3 Prozent. Nach dem Tod ihres Vaters wurden die 6,1 Prozent hälftig auf Karl-Erivan und Christian übertragen. Georgs Anteil blieb unverändert.
Karl- Erivans Anteile an der Firmengruppe (31,3 plus 3,05 Prozent) laufen nach seinem Verschwinden weiterhin auf seinen Namen. Erst wenn seine Ehefrau Katrin ihren Mann für tot erklären lässt, fallen ihr und danach ihren beiden Kindern Victoria und Erivan Karl die Anteile zu. Ein bisher unüberwindliches Hindernis ist der Preis dieser Todeserklärung, nämlich rund 450 Millionen Euro So hoch wäre die Erbschaftssteuer, welche die dann amtlich zur „Witwe“ erklärte Katrin Haub bezahlen müsste.
Kein Problem, argumentiert ihr Schwager Christian Haub, der inzwischen die Firmengruppe führt und die Todeserklärung erzwingen möchte. Er bietet an, für 1,1 Milliarden Euro den Familienzweig seines verstorbenen Bruders aus dem Unternehmen herauszukaufen. Dann hätten sie genug Geld, die Steuern zu bezahlen. 1,1 Milliarden? Diese Offerte lehnen die ungeliebten Verwandten als viel zu niedriges Angebot ab.
Die verflixte dritte Generation
Zank und Streit der Haubs werden nicht im privaten Gegenüber oder am Telefon ausgefochten. Die Verhandlungen laufen über deutsche und amerikanische Anwälte. Vergleiche mit dem Handelskonzern Aldi-Nord drängen sich auf. Bei den Haubs und bei den Aldis streitet jeweils die nächste Generation um das Erbe, und zwar nicht nur um das Geld. Es geht außerdem über die Besetzung von Beiräten, also um Macht und um Einfluss.
Bei den Haubs stehen die wichtigen gerichtlichen Entscheidungen noch aus. Die Anwälte haben viel zu tun.
So viel ist sicher: Fortsetzung folgt.
Und hier ist die Fortsetzung. Der Stuttgarter Anwalt Mark K. Binz gab bekannt, dass Christian Haub im Laufe des Mai die Anteile seines verschollenen Bruders Karl-Erivan seiner Schwägerin abkaufen wird.
Sobald es Details zu berichten gibt, erfahren Sie mehr in diesem Blog.