Ein Gespräch mit Nicolai Utz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht der ACConsis GmbH München.
Blog: „Schenken statt Vererben – Nicht bis zum Erblassen warten!“ So der Titel eines Vortrags zu dem Ihre Kanzlei eingeladen hatte. Die Anmeldungen überstiegen die Zahl der Sitzmöglichkeiten bei weitem. Zweiter Termin. Wieder ausgebucht. Wieso elektrisiert dieses Thema?
Utz: Es ist im Bewusstsein der Menschen angekommen, dass frühzeitig gehandelt werden muss, um den Erben die Zahlung erheblicher Erbschaftsteuer zu ersparen. Die Immobilienpreise sind explodiert. Diese Entwicklung hat aus bescheidenen Nachlässen wertvolle Erbschaften gemacht. Die Steuerfreibeträge für die Erben wurden hingegen nicht angehoben, sodass die Diskrepanz zwischen zu vererbenden Vermögen und bestehenden Freibeträgen immer größer wird. Hinzu kommt: Früher wurden Immobilien im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht mit dem sogenannten Einheitswert veranschlagt, was in aller Regel zum Ansatz sehr niedriger Immobilienwerte führte. Seit 2009 werden Immobilien jedoch zu den Verkehrswerten veranschlagt. Und diese steigen und steigen.
Das Einmaleins der Freibeträge
Blog: Das Zauberwort heißt Steuern sparen durch lebzeitige Schenkungen. Das ist möglich, weil beim Schenken dieselben Freibeträge gelten wie bei einem Erbfall.
Utz: Ehegatten steht untereinander bei Schenkungen bzw. Erbschaft ein Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro zur Verfügung. Beim Tod des Ehegatten kommt ein zusätzlicher Versorgungsfreibetrag in Höhe von bis zu 256.000 Euro hinzu.
Dieser Versorgungsfreibetrag wird jedoch um bestimmte in Folge des Erbfalls entstehende Versorgungsbezüge gekürzt, insbesondere um eine etwaige Witwer- bzw. Witwenrente. Anhand der konkreten Höhe dieser Rente sowie der Restlebenserwartung wird ermittelt, um wieviel der Versorgungsfreibetrag zu kürzen ist. Sofern der Wert der zukünftigen Versorgungsbezüge den Betrag von 256.000 Euro übersteigt, steht der Versorgungsfreibetrag nicht zur Verfügung und es verbleibt bei dem regulären Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro.
Blog: Die Freibeträge je Kind betragen 400.000 Euro, je Enkelkind 200.000 Euro.
Utz: Bezüglich der Freibeträge von Kindern und Enkelkindern ist hervorzuheben, dass diese Freibeträge jedem Enkel-/Kind gegenüber jedem Groß-/Elternteil gesondert zustehen.
Blog: Bei zwei Kindern ergibt das zusammen ein Freibetrag von 800.000 Euro gegenüber der Mutter plus 800.000 gegenüber dem Vater.Und noch ein Freibetrag ist wichtig: für den nicht verheirateten Lebenspartner beträgt er nur 20.000 Euro.
Utz: Hinsichtlich des im Gesetz genannten Freibetrags für „Lebenspartner“ in Höhe von 500.000 Euro kommt es bei juristischen Laien oftmals zu einer Verwechslung: Hiervon ist nur der eingetragene (gleichgeschlechtliche) Lebenspartner erfasst. Durch die Bestimmung sollten (vor der Einführung der „Ehe für alle“) eingetragene Lebenspartnerschaften den Eheleuten steuerlich gleichgestellt werden. Wenn allerdings zwei Personen ohne irgendeine formelle Bindung zusammenleben, kann eine Schenkung / Erbschaft teuer werden, da hier nur der allgemeine Freibetrag in Höhe von 20.000 Euro besteht.
Blog: Wie unter gänzlich Fremden.
Utz: So ist es. Der Steuersatz beträgt in diesem Fall mindestens 30 Prozent. Bei einer Erbschaft von 200.000 Euro müsste ein solcher Partner (abzüglich des Freibetrags in Höhe von 20.000 Euro) auf einen Betrag in Höhe von 180.000 Euro 30 Prozent Erbschaftsteuer – mithin 54.000 Euro – zahlen. Hingegen kommt bei Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnerschaften, Kindern und Enkelkindern neben den höheren Freibeträgen ein niedrigerer Steuersatz (in der Regel zwischen 7 und 19 Prozent) zur Anwendung.
Blog: Ich fasse zusammen: Bei einer Erbschaft oder Schenkung sind die Freibeträge und die Steuerklassen nach dem Verwandschaftsgrad gestaffelt.
Auf zehn Jahre kommt es an
Blog: Der Pfiff einer Schenkung ist, dass nach zehn Jahren die Freibeträge wiederholt genutzt werden können.
Utz: Genau, die Freibeträge stehen alle zehn Jahre erneut zur Verfügung. Allerdings werden innerhalb eines Zehnjahreszeitraums erfolgende Schenkungen / Erbschaften zusammengerechnet. Ich sollte also innerhalb eines Zehnjahreszeitraums von derselben Person nicht mehr als meinen Freibetrag erhalten.
Zur mehrfachen Ausnutzung der Freibeträge schildere ich Ihnen ein eindrucksvolles Beispiel: Eine Person hat ein Vermögen von 3,9 Mio. Euro. Die erste Schenkung erfolgt mit 60 Jahren, die zweite mit 70 und der Erbfall mit 85. Der Ehepartner erhält hierbei 3 x 500.000 Euro, die beiden Kinder jeweils 3 x 400.000 Euro. Wegen der optimalen Ausnutzung der Freibeträge erhalten der Ehepartner beziehungsweise die Kinder das Gesamtvermögen in Höhe von 3,9 Mio. Euro steuerfrei. Ohne die Schenkungen wären bei gesetzlicher Erbfolge voraussichtlich Steuern in einer Größenordnung von insgesamt circa 450.000 Euro angefallen. Sofern beide Elternteile vermögend sind, könnten diese im genannten Zeitraum sogar 4,8 Mio. steuerfrei auf die Kinder übertragen, da der Kinderfreibetrag jeweils gegenüber jedem Elternteil besteht. So planmäßig läuft es allerdings eher selten ab. Das Beispiel zeigt aber, was bei frühzeitiger Planung möglich ist.
Darüber hinaus kann durch lebzeitige Schenkungen unter Umständen auch die Einkommensteuer reduziert werden, indem die Einkünfte aus dem Vermögen (z.B. Mieteinnahmen) auf mehrere Köpfe verteilt werden und in der Folge möglicherweise ein niedrigerer Einkommensteuersatz zur Anwendung kommt.
Die Bedeutung der Vermögensverteilung
Blog: Wie Ehepartner ihr Vermögen aufteilen, kann ihnen niemand vorschreiben. Nach steuerlichen Gesichtspunkten ist klar: möglichst gleichmäßig.
Utz: Damit die Freibeträge gegenüber beiden Elternteilen in Anspruch genommen und optimal genutzt werden können, ist eine gleichmäßige Vermögensverteilung erforderlich. Wenn ein Teil sehr vermögend ist und der andere Partner wenig Vermögen hat, können die Freibeträge der Kinder gegenüber dem „ärmeren“ Elternteil nicht ausgeschöpft werden. Eine Vermögensverteilung kann beispielsweise durch Schenkungen zwischen den Ehegatten erfolgen. Hierher gehört auch das wichtige Thema „selbst bewohnte Eigentumswohnung bzw. Eigenheim“. Viele Paare überlegen nicht, wer als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wurde.
Blog: Das kann viele Jahre zurückliegen.
Utz: Doch nur wer im Grundbuch steht, kann eine Immobilie vererben. Auch dazu wieder ein Beispiel: Das von den Ehegatten gemeinsam bewohnte Einfamilienhauses hat einen Wert von 1,5 Mio. Euro. Im Grundbuch ist jedoch nur der Ehemann als Eigentümer eingetragen. Wenn dieser zuerst verstirbt, erbt seine Frau die komplette Immobilie. Abzüglich ihres Freibetrages und vollständigen Versorgungsfreibetrages (zusammen 756.000 Euro) müsste sie 744.000 Euro versteuern (= ca. 140.000 Euro Steuer). Die Steuer lässt sich hinsichtlich der von Ehegatten gemeinsam bewohnten Immobilie im Erbfall nur vermeiden, wenn der Überlende weitere zehn Jahre in der Immobilie wohnt. Bei Verkauf oder vorzeitigem freiwilligem Auszug fällt die Steuer rückwirkend in voller Höhe an. Leider muss ein Verkauf oder vorzeitiger freiwilliger Auszug dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt werden. Das Unterlassen dieser Mitteilung stellt grundsätzlich eine (versuchte) Steuerhinterziehung dar.
Blog: Gibt es noch einen anderen Ausweg?
Utz: Zu Lebzeiten kann die von den Ehegatten gemeinsam bewohnte Immobilie (das sogenannte Familienheim) wertunabhängig und ohne Anrechnung auf den Freibetrag steuerfrei an den Ehegatten verschenkt werden. Man kann auch lediglich ein Anteil an der Immobilie (beispielweise die Hälfte) verschenken. Die Immobilie kann sich sogar im EU-Ausland befinden, zum Beispiel auf Mallorca. Voraussetzung ist, dass sie im Zeitpunkt der Schenkung das gemeinsam bewohnte Familienheim bildet. Grundsätzlich kann diese Steuerbefreiung bei Wechsel des Familienwohnheims auch mehrmals in Anspruch genommen werden. Der große Vorteil der lebzeitigen Schenkung des Familienheims gegenüber der Vererbung ist, dass ich die Immobilie nicht für weitere zehn Jahre bewohnen muss. Ich kann sie theoretisch am nächsten Tag verkaufen, ohne dass rückwirkend Schenkungsteuer anfällt.
Schenken mit Augenmaß
Blog: Wer schenkt, kann den Zeitpunkt dafür bestimmen. Doch viele ältere Menschen sind zunehmend verunsichert, wie teuer ihre letzten Lebensjahre sein werden. Wie entwickeln sich die Pflegekosten, wenn die Unterbringung in einem Heim notwendig wird? Das sind sehr wichtige ungelöste Fragen, so dass viele ihre Pläne hinausschieben.
Utz: Schenken mit Augenmaß! Das ist ein wichtiger Grundsatz. Niemand sollte sich überreden lassen, etwas herzugeben, was er für seinen aktuellen oder künftigen Bedarf noch benötigen könnte. Auch unabhängig von steuerlichen Erwägungen sollte meine eigene Absicherung als Schenker immer im Vordergrund stehen !
Wenn die eigenen Vermögenswerte die absehbaren Aufwendungen übersteigen, ist es allerdings steuerlich vorteilhaft, Teile des Vermögens zu Lebzeiten zu schenken statt das ganze Vermögen zu vererben. Neben dem bereits erwähnten mehrfachen Ausschöpfen der Freibeträge ist die Bestimmung des Zeitpunkts des Vermögensübergangs angesichts der momentanen Immobilienpreisentwicklung vorteilhaft. Denn bei der Berechnung der Schenkungsteuer legt das Finanzamt den Wert der Immobilie im Zeitpunkt der Schenkung zugrunde.
Blog: Eine spätere Wertsteigerung der Immobilie wirkt sich nicht steuererhöhend aus.
Utz: Anders im Erbfall, denn hier ist maßgeblicher Bewertungszeitpunkt der Todestag. Das hat zur Folge, dass sich die bis zum Tod eingetretene Wertsteigerung der Immobilie im Erbfall steuererhöhend auswirkt.
Im Reichtumsbericht der Schweizer Großbank Credit Suisse steht Deutschland mit einem durchschnittlichen Vermögen von 216 654 Dollar pro Erwachsenem auf Platz 19. Nicht Münzen, Scheine oder Wertpapiere sind das kostbarste Gut, sondern Immobilien. Mehr als die Hälfte des Vermögens steckt in Häusern und Wohnungen. Junge Menschen können von den gestiegenen Immobilienpreisen der letzten Jahre nur begrenzt profitieren, Sie können sich eine eigene Immobilie kaum noch leisten – außer sie erben. |
Um mich bei lebzeitigen Schenkungen finanziell abzusichern, kann ich mir als Schenker zudem gewisse Rechte vorbehalten bzw. teilweise Gegenleistungen vereinbaren, die überdies den steuerlichen Wert der Schenkung und somit die Steuer weiter reduzieren.
Blog: Der größte Nachteil einer Schenkung, nämlich das Prinzip, „weg ist weg“, veriert damit seine abschreckende Wirkung.
Utz: Zu jeder umsichtigen Schenkung gehört ein Vertrag, in dem die Schenkung festgehalten und etwaige vorbehaltene Rechte, Gegenleistungen, Rückforderungsrechte sowie gegebenenfalls die zukünftige Berücksichtigung der Schenkung im Erbfall (z.B. eine Ausgleichszahlung an Geschwister) vereinbart werden.
Blog: Ich kann beispielsweise eine Wohnung verschenken, mir aber den sogenannten Nießbrauch an der Wohnung vorbehalten.
Utz: Nießbrauch bedeutet, dass ich etwas – in diesem Fall die Wohnung – auf Lebenszeit vollumfänglich nutzen kann, obwohl es mir nicht mehr gehört. Ich kann die Wohnung also weiterhin selbst bewohnen oder aber vermieten und durch die Vermietung dauerhaft Einnahmen erzielen. Der Nießbrauch wird im Grundbuch eingetragen, sodass meine Rechtsposition geschützt ist. Er wird mit meinem Tod gelöscht. Diese Gestaltung, von der sehr häufig Gebrauch gemacht wird, nennt sich Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Allerdings kann ich die Wohnung anschließend nicht mehr verkaufen oder – jedenfalls nicht ohne Zustimmung des Beschenkten – belasten / beleihen, da der Beschenkte im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen wird.
Blog: Es gibt außer dem Nießbrauch eine Vielzahl weiterer Gegenleistungen, zu denen der Beschenkte verpflichtet werden kann.
Ich schenke, aber….
Utz: Richtig, in der Vereinbarung von Gegenleistungen sind die Vertragsparteien weitgehend frei. Wichtig ist aber, dass die Gegenleistungen in dem Schenkungsvertrag selbst – also nicht erst nachträglich – fixiert werden. Als Gegenleistungen des Beschenkten kommen beispielsweise in Betracht: Übernahme eines Darlehens, Erbringung von Pflegeleistungen im Bedarfsfall, Zahlung einer Rente (auf Lebenszeit oder auf eine bestimmte Dauer), Einmalzahlung an den Schenker (= vergünstigter Kaufpreis) oder Ausgleichszahlung an eine andere Person. Letzteres ist eine gern genutzte Möglichkeit bei Patchworkfamilien oder generell in Fällen, in denen eine Aufteilung eines Vermögensgegenstandes (beispielsweise der einzigen Immobilie) auf mehrere Kinder nicht gewünscht ist. Das Kind, das die Immobilie geschenkt bekommt, wird zum Beispiel verpflichtet, einem Halbgeschwisterkind eine vereinbarte Summe in bar auszuzahlen. Bei der Vereinbarung von Gegenleistungen sollte ich aber im Vorfeld immer sicherstellen, dass hierdurch keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird. Hier kommt es nachtäglich oftmals zu unliebsamen Überraschungen.
Ich kann sogar vereinbaren, dass ein naher Angehöriger im Rahmen der Schenkung einen Pflichtteilsverzicht abgibt.
Blog: Pflichtteil ist ein Reizwort in vielen Erbschaftsdiskussionen.
Utz: Der Pflichtteil ist die (fast) nicht entziehbare Mindestbeteiligung nächster Angehöriger am Nachlass. Der Pflichtteil schränkt mich in meiner sogenannten Testierfreiheit ein, weil ich nächste Angehörige nicht vollständig von meinem zukünftigen Nachlass ausschließen kann. Durch die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts im Gegenzug für eine Schenkung erkaufe ich mir quasi meine Testierfreiheit.
Das hat nichts mit Boshaftigkeit durch die Hintertür zu tun. Eine optimale Gestaltung der Erbfolge ist – insbesondere bei großen Vermögen oder Unternehmensbezug – besser möglich, wenn keine Rücksicht auf etwaige Pflichtteile genommen werden muss. Insbesondere wenn es um etwaige Pflichtteilsrechte unliebsamer Angehöriger geht, rate ich dringend dazu, einen Fachanwalt für Erbrecht hinzuzuziehen, um Fehler zu vermeiden. Solche Fehler kommen in der Regel erst nach dem Tod des Schenkers ans Licht, führen dann aber oftmals zu langwierigen, sehr kostspieligen und emotional äußerst belastenden Streitigkeiten. Auch wenn ein vollständiger Pflichtteilsverzicht von den Beteiligten nicht gewünscht wird, ist es aus Sicht des Schenkers grundsätzlich sinnvoll, im Rahmen des Schenkungsvertrages zumindest anzuordnen, dass der Wert des Geschenks auf den Pflichtteil angerechnet wird. Auch hier ist es wichtig, dass ich diese Anordnung bereits im Schenkungsvertrag treffe, da eine nachträgliche Anordnung nicht möglich ist.
Blog: Was passiert, wenn der Beschenkte sich später weigert, die vereinbarte Gegenleistung zu erbringen?
Utz: Auch bei Schenkungen gilt der Grundsatz: Verträge sind einzuhalten! Für einen konkreten Ratschlag muss allerdings der jeweilige Einzelfall geprüft werden. Der Schenker kann zunächst versuchen, seinen Anspruch auf die Gegenleistung durchzusetzen. Alternativ kommt bei unterbliebener Gegenleistung auch eine Rückabwicklung der Schenkung oder ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht. Um etwaige zukünftige Streitigkeiten in Bezug auf die Gegenleistung zu vermeiden, ist es empfehlenswert, vereinbarte Gegenleistungen (insbesondere erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig werdende Verpflichtungen) durch Eintragung von Sicherheitsmechanismen im Grundbuch abzusichern. Eine vereinbarte Rente kann ich beispielsweise durch die Eintragung einer sogenannten „Reallast“ im Grundbuch absichern, sodass im Zweifel das Grundstück für meinen Rentenanspruch haftet. Eine Einmalzahlung kann beispielsweise mit einer sogenannten „Grundschuld“ im Grundbuch abgesichert werden.
Mündliche Absprachen sind nichts wert
Blog: Die Bedeutung von „Pflegeleistungen im Bedarfsfall“ steigt. Das ist ein sehr schwammiger Begriff. Die Vereinbarung kann eines Tages zu einer großen Belastung werden.
Utz: Deshalb sollte im Schenkungsvertrag möglichst klar festgelegt werden, in welcher Situation welche Tätigkeiten in welchem Umfang (z.B. Stundenanzahl pro Woche) erbracht werden sollen. Mündliche Absprachen sind nichts wert, wenn es später zu Meinungsverschiedenheiten über die versprochene Fürsorge kommt.
Soll der Beschenkte einen Pflegedienst organisieren / kontrollieren oder persönlich pflegerisch tätig werden? Soll er/sie Einkäufe und Behördengänge erledigen oder täglich kochen und vorlesen? Das sind sehr unterschiedliche Anforderungen. Elementar wichtig ist aus meiner Sicht, dass Leistungen nur in einem Maße vereinbart werden, das für den Beschenkten tatsächlich erfüllbar ist. Ansonsten ist Streit vorprogrammiert. Die Beteiligten müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass der Bedarfsfall eintreten wird. Einen Pflegedienst ersetzen, können beispielsweise sicherlich die allerwenigsten, allein schon aufgrund der körperlichen Anforderungen. Ferner muss auch der Beschenkte neben den zu erbringenden Tätigkeiten – wenn auch in eingeschränktem Maße – ein „eigenes“ Leben führen können.
Blog: Habe ich das richtig verstanden: Die Vereinbarung von Rechten und Gegenleistungen hat Einfluss auf die Höhe der Erbschaftsteuer?
Utz: Eine Schenkung ist weniger wert, wenn man sie einschränkt bzw. wenn ich eine Gegenleistung erbringen muss. Zum Beispiel hat eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt für den Beschenkten nur einen eingeschränkten Wert, weil er die Immobilie nicht bewohnen oder vermieten kann. Ähnliches gilt beispielsweise bei einer als Gegenleistung vereinbarten Einmalzahlung oder Rente. Diese mindern den Wert des Geschenks. Das berücksichtigt steuermindernd auch das Finanzamt bei der Festsetzung der Schenkungsteuer.
Hierzu ein Beispiel: Die 72-jährige verwitwete Mutter schenkt ihrer Tochter eine Immobilie im Wert von 600.000 Euro, möchte aber darin bis zu ihrem Lebensende wohnen. Der Freibetrag der Tochter beträgt 400.000 Euro. Ohne Vorbehalt des Nießbrauchs müsste die Tochter 200.000 Euro versteuern (Steuer: 22.000 Euro)!
Durch den Vorbehalt des Nießbrauchs reduziert sich der Wert der Schenkung um den Wert des Nießbrauchs.
Blog: Haben Sie auch dafür eine Beispielrechnung?
Utz: Der Wert des Nießbrauchs richtet sich nach der Höhe der bei unterstellter Vermietung jährlich erzielbaren marktüblichen Mieteinnahmen (Kaltmiete) abzüglich Kosten. Dieser sogenannte „Jahresreinertrag“ (vorliegend beispielsweise 20.000 Euro) wird mit einem auf der statistischen Restlebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten (in unserem Beispiel die Mutter) basierenden Faktor, dem sogenannten „Kapitalisierungsfaktor“, multipliziert. Bei der Ermittlung des Wertes des Nießbrauchs wird also kalkuliert, welche Einnahmen der Nießbrauchsberechtigte im Laufe seines weiteren Lebens durch Vermietung insgesamt erzielen könnte. Der „Kapitalisierungsfaktor“ einer 72-jährigen Frau beträgt derzeit 10,465. Der Wert des Nießbrauchs beträgt somit in unserem Beispiel gerundet 209.000 Euro (=10,465 * 20.000 Euro). Die Berechnung klingt kompliziert, ist aber für Fachleute Routine. Durch den Vorbehalt des Nießbrauchs sinkt der Wert der Schenkung in unserem Beispiel auf 391.000 Euro und somit unter den Freibetrag, sodass keine Steuer anfällt.
Vorbild Haftpflichtversicherung
Blog: Es gibt Situationen, in denen ein Geschenk wieder herausgegeben werden muss.
Utz: Die gesetzlich vorgegebenen Möglichkeiten für die Rückforderung eines Geschenks sind sehr begrenzt. Grundsätzlich kann ich eine Schenkung nur zurückfordern, wenn ich als Schenker (sozialhilfebedürftig) verarme oder bei „groben Undank“ des Beschenkten. Die Hürden für „groben Undank“ sind allerdings sehr hoch. Es bedarf einer schweren Verfehlung seitens des Bedachten. Zudem muss der Schenker diese schwere Verfehlung beweisen.
Da das Gesetz nur wenige Rückforderungsrechte vorsieht, ist dringend anzuraten, weitere Rückforderungsrechte im Schenkungsvertrag zu vereinbaren. Das wichtigste Rückforderungsrecht ist sicherlich, dass ich das Geschenk zurückfordern kann, wenn der Beschenkte es verkauft.
Um effektiv geschützt zu sein, müssen die Rückforderungsrechte wiederum im Grundbuch abgesichert werden, durch eine sogenannte „Vormerkung“. Zudem sollten weitere Rückforderungsrechte vereinbart werden, beispielsweise für den Fall, dass der Beschenkte alkohol- / drogensüchtig, Mitglied in einer Sekte / terroristischen Vereinigung, insolvent oder geschäftsunfähig wird. Die Mandanten wehren oft ab, was ich vorschlage, könne niemals vorkommen. Ich antworte, das ist wie bei einer Haftpflichtversicherung. Die schließe ich auch nicht ab, weil ich davon ausgehe, dass ich davon Gebrauch machen muss. Falls der Beschenkte tatsächlich alkohol- / drogen- / spielsüchtig wird, benötige ich dieses vertraglich vereinbarte Rückforderungsrecht, um die Schenkung rückabzuwickeln.
Blog: Es gibt auch Rückgabeverpflichtungen, wenn sich der Lebenszuschnitt ändert.
Utz: Ja, beispielsweise für den Fall, dass der Beschenkte vor dem Schenkenden verstirbt oder sich scheiden lässt. Auch diese Rückforderungsrechte müssen im Schenkungsvertrag vereinbart werden. Das Rückforderungsrecht für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten ist steuerlich extrem wichtig, um zu vermeiden, dass beispielsweise die Mutter die zuvor von ihr verschenkte Wohnung wieder von der vorverstorbenen Tochter erbt und somit erhebliche Erbschaftsteuer anfällt. Denn wenn ich von meinem Kind etwas erbe, beträgt der Freibetrag (anders als umgekehrt) nur 100.000 Euro, bei Schenkung sogar nur 20.000 Euro
Blog: Grundsätzlich kann eine Schenkung auch ohne vereinbartes Rückforderungsrecht rückabgewickelt werden, sofern sowohl Schenker als auch Beschenkter dies wünschen.
Utz: Dies stellt aus Sicht des Finanzamtes allerdings eine neue Schenkung dar, sodass die ursprünglich festgesetzte Steuer bestehen bleibt und überdies auch bezüglich der Rückschenkung erneut Schenkungsteuer festgesetzt werden kann. Liegt hingegen ein Rückforderungsrecht vor, liegt keine Rückschenkung, sondern eine Rückabwicklung der ursprünglichen Schenkung vor. In diesem Fall wird die bei der Schenkung gezahlte Steuer erstattet und keine neue Steuer festgesetzt. Auch deshalb ist die Vereinbarung von Rückforderungsrechten dringend anzuraten. Darüber hinaus bedeutet die Vereinbarung eines Rückforderungsrechts nicht, dass ich dieses auch tatsächlich ausüben muss.
Blog: Kürzlich sagte mir ein Anwalt, im Erbrecht klingt alles harmlos, ist es aber nicht.
Utz: Die Bestimmungen sind in der Tat sehr kompliziert. Auch wenn ich Rückforderungsrechte vereinbare, kann ich eine Schenkung nicht grundlos gegen den Willen des Beschenkten rückabwickeln. Es muss ein gesetzlicher oder vereinbarter Rückforderungsgrund vorliegen. Zwar könnte ich mir auch ein freies, also willkürliches, Rückforderungsrecht vorbehalten, jedoch liegt dann aus Sicht des Finanzamtes steuerlich überhaupt keine Schenkung vor. Der steuerliche Zweck der Schenkung würde verfehlt.
Außer Kontrolle
Blog: Wer Minderjährige beschenkt, sollte sich zusätzliche Gedanken machen.
Utz: Grundsätzlich kann ich eine minderjährige Person genauso beschenken wie einen Erwachsenen. Je nach Verwandtschaftsverhältnis und Art des Geschenks kann gegebenenfalls eine familiengerichtliche Genehmigung bzw. die Beteiligung eines „Ergänzungspflegers“ erforderlich werden. Der „Ergänzungspfleger“ soll die Interessen des Kindes bei der Schenkung wahren, beispielsweise hinsichtlich der Vereinbarung von Gegenleistungen. Bei getrenntlebenden / geschiedenen Eltern kann der schenkende Elternteil überdies ein Interesse daran haben, den anderen Elternteil – solange der Beschenkte minderjährig ist – von der Verwaltung des Geschenks auszuschließen. Auch dies muss bereits im Rahmen des Schenkungsvertrages erfolgen.
Blog: So viel zu den Formalien.
Utz: Ich möchte noch etwas zu möglichen Auswirkungen von Schenkungen an junge Menschen sagen. Schenkungen an Minderjährige und junge Erwachsene können sich negativ auf deren Entwicklung auswirken. Ab dem 18. Geburtstag erhalten sie Zugriff auf das geschenkte Vermögen. Dies kann nicht nur dazu führen, dass das Vermögen verprasst wird, sondern vor allem auch dazu, dass die Berufsausbildung vernachlässigt wird und die Kinder im schlimmsten Fall ohne Vermögen und ohne Berufsausbildung dastehen. Daher sollte die Schenkung mit der Auflage verbunden werden, dass das Kind bis zum Erreichen eines bestimmten Alters (beispielsweise 25 oder 27 Jahre) nur mit Zustimmung des Schenkers oder einer anderen Vertrauensperson über das Geschenk verfügen darf. In Kombination mit einem entsprechenden Rückforderungsrecht kann ich das Kind in der Regel davon abhalten, das geschenkte Vermögen anzutasten. Das volljährige Kind könnte es dennoch tun, da es rechtlich Eigentümer geworden ist. Dies stellt einen Nachteil der Schenkung an jüngere Personen gegenüber dem Vererben dar. Im Rahmen der Vererbung kann ich meinem Enkel-/Kind bei richtiger Ausgestaltung des Testaments einen Testamentsvollstrecker an die Seite stellen, der das Vermögen bis zu einem festgelegten Zeitpunkt verwaltet.
Blog: Bei unserem Thema, schenken statt vererben, raten Sie also zu einer Altersgrenze
Utz: Aus meiner persönlichen Erfahrung ist es vorzuziehen, keine vorschnellen Schenkungen an Minderjährige bzw. junge Erwachsene vorzunehmen, als später möglicherweise feststellen zu müssen, dass sich das Kind ganz anders entwickelt hat als erwartet. Ich empfehle hier eher, den Vermögensübergang zunächst testamentarisch sicherzustellen (für den Fall, dass mir etwas passiert) und mit der bereits angesprochenen Testamentsvollstreckung zu flankieren. Etwaige Schenkungen kann ich zu gegebener Zeit immer noch vornehmen. Bei sehr großen Vermögen kann es natürlich aus steuerlichen Gründen geboten sein, Schenkungen möglichst frühzeitig zu tätigen, um die Steuerfreibeträge möglichst oft auszuschöpfen.
Blog: Welches sind die häufigsten Probleme, mit denen Mandanten zu Ihnen kommen?
Utz: Häufig sind in diesem Zusammenhang Fälle, in denen ohne vorherige rechtliche und steuerliche Beratung Schenkungen vorgenommen worden sind, bei denen es im weiteren Verlauf zu Komplikationen gekommen ist. Hier ist es in der Regel so, dass das Finanzamt zur Verwunderung der Beteiligten eine hohe Schenkungsteuer festgesetzt hat. Die größten Dramen sind allerdings diejenigen Fälle, in denen sich das Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem anders entwickelte als sie es selbst erwartet haben. Hier gilt es oftmals, zu retten, was noch zu retten ist.
Häufig ist es auch so, dass die Erben mit der Frage auf mich zukommen, wie die voraussichtlich hohe Erbschafsteuerlast gesenkt werden kann. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich der Erblasser um zukünftige Steuern keine Gedanken gemacht und daher weder lebzeitige Schenkungen vorgenommen noch ein steuergünstiges Testament errichtet hat. Hier kann man als versierter Berater zwar gegebenenfalls auch nachträglich im Rahmen der Erbauseinandersetzung noch eine erhebliche Reduzierung der Erbschafsteuer herbeiführen. Das ist aber keinesfalls sicher. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Erben sich nach dem Todesfall unverzüglich an einen Fachanwalt für Erbrecht wenden, da dieser aufgrund seiner Spezialisierung sowohl über die erforderlichen rechtlichen als auch über die relevanten steuerlichen Kenntnisse verfügt.
Der häufigste Fall ist jedoch zum Glück der, dass ich bereits im Vorfeld in die rechtliche sowie steuerliche Planung von Schenkungen / Erbfolge einbezogen werde und in enger Abstimmung mit dem Mandanten die passende Lösung ausarbeite. Durch frühzeitiges und planvolles Handeln lässt sich sicherlich am besten Steuer sparen.
Blog: Und wie ich gelernt habe, durch vieles, vieles rechnen.
Vielen Dank für das interessante Interview. Schenkungen wären auch eine interessante Alternative zur Erbschaft. Dank den Freibeträgen könnte man wirklich Steuer sparen und das ist sicher für die Erben vorteilhaft. Ich werde mich bei meinem Anwalt weiter informieren. http://www.kanzleip.de/recht/erbrecht
Ich habe schonmal von der Schenkung gehört. Das ist eine gute Methode um der Erbschaftssteuer zu entgehen. Vielleicht kann ich dafür mal einen Anwalt für Erbrecht kontaktieren.
Schenken statt Vererben scheint in vielen Fällen eine kluge Option zu sein. Besonders im Erbrecht kann die vorweggenommene Erbfolge durch Schenkung viele Vorteile bieten, wie zum Beispiel die Vermeidung von Erbstreitigkeiten. Darüber hinaus ermöglicht es den künftigen Erblassern, Einfluss auf die Vermögensübertragung zu nehmen. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass auch eine Schenkung ihre Tücken haben kann und nicht immer die beste Lösung ist. Eine individuelle Beratung ist daher unerlässlich.
Wie ich aus Ihrem Absender ersehe, sind Sie selbst Anwalt oder in einer Anwaltspraxis tätig. Sie haben wohl keine Schwierigkeiten, einen
Fachanwalt zu finden. Heide Neukirchen
Ihr Absender zeigt mir, dass Sie selbst Fachanwalt sind.
Das erklärt meine späte Antwort. Natürlich freue ich mich an Ihrem Intreesse an meinem Blog.
Heide Neukirchen