Vor Allerheiligen, dem Totengedenktag der Katholiken
am 1. November, sind Friedhöfe Hotspots der Unruhe. Gräber werden
geputzt und frisch bepflanzt.“Callunen“, Heidekraut, in dezenten ruhigen Farben,
sind die Favoriten. Lämpchen werden aufgestellt,
Wege gefegt, Vasen gefüllt. Dem Totengedenken zu Ehren!
Martin Walser, Geschäftsführer beim Landesverband
Gartenbau Nordrhein-Westfalen und Fachmann für Grabgestaltung: „An diesem Tag besuchen Katholiken die Gräber ihrer Angehörigen und evangelische Christen tun es ihnen gleich. Allerheiligen wird mehr angenommen als Totensonntag. Analog der Kehrwoche in kleinen und mittleren Gemeinden löst dieser ‚Trauertag‘ zum Teil einen sozialen gesellschaftlichen Druck der Auseinandersetzung damit aus. Dies kann in Kombination, aber auch völlig losgelöst von Relgion geschehen. Schwieriger sind die anonymen Großstädte, in denen keiner den eigenen Nachbarn kennt. Aber auch dort beobachten wir intakte Beziehungen zum Friedhof durch Memoriam Gärten.“ (Das sind gärtnerbetreute Grabfelder, dazu mehr in meinem Blog Ende Oktober.)
Trotz dieser Betriebsamkeit sind die Veränderungen auf den Friedhöfen unübersehbar. Viele Grabfelder bleiben leer. Je mobiler die Gesellschaft ist, desto variantenreicher die Orte
für die letzte Ruhe. Seebestattungen, Beerdigungen in dafür ausgewiesenen Baumbeständen oder außerhalb von Friedhöfen sind heute populär. Im 19. Jahrhundert ließen allenfalls Kapitäne und Fischer ihre Asche über dem Meer verstreuen.
Die Wünsche sind so vielfältig wie bei Autos
Weiterhin ziehen mehr Menschen eine Feuerbestattung einer Erdbestattung vor.
Gestalterisch sind Urnengräber mit einem Quadratmeter Fläche eine Herausforderung für den Friedhofsgärtner. Die Angehörigen wünschen oft individuelle und aufwändige Gestaltungen.
Walser: „Die Nachfragebandbreite ist hier so groß wie im KFZ-Bereich vom Golf bis hin zur S-Klasse.“ Nicht das Geld, sondern die individuelle Haltung des Toten prägt sehr häufig die Wahl der letzten Ruhestätte. Auch Urnengemeinschaftsgräber werden oft nicht aus finanzieller Not gewählt, sondern aus Überzeugung.
Paralell dazu verliert das klassische, größere Familiengrab an Zustimmung.
Friedhofsgärtner beobachten allerdings eine „kleine Renaissance kleiner Familiengräber, die von Corona noch befeuert wird.“ (Walser)
Statt Pflegheime wird innerhalb der Familie nach Lösungen gesucht. Der Fachmann: „Hierdurch befestigen sich wieder Beziehungen untereinander und der Tod und auch die Trauer treten aus dem Schatten der Anonymität heraus.“
Grabpflegeverträge werden populär
Und noch ein bemerkenswerter Trend: Die Menschen machen sich zu ihren Lebzeiten Gedanken über ihr Grab und schließen „Vorsorgeverträge“ ab. Sie teilen einem Bestatter bzw. Friedhofsgärtner ihrer Wahl mit, wie ihr Grab später gestaltet werden soll, ob sie zum Beispiel an ein Grabmal denken und wie es aussehen könnte. Oder ob sie ein Urnengrab bevorzugen. Das Geld, zur Verwirkichung ihrer Wünsche, zahlen sie zu Lebzeiten ein und/oder reservieren eine Summe für die Grabpflege nach ihrem Tod.
Es gibt vorgefertigte Fragebögen zum Thema „Bestattung“ und „Grabpflege“.
Sie sind eine Art Anleitung für die Hinterbliebenen,
die oft nach einem Todesfall überfordert sind, die richtigen sachlichen
Entscheidungen nach dem Willen des Verstorbenen zu treffen.
Unter dem Punkt „Bestattungswünsche“ kann z. B. angekreuzt werden:
– Ein Grabpflegevertrag soll geschlossen werden….
– Ein Grabpflegevertrag wurde am ……mit dem folgenden Bestatter/ Friedhofsgärtner …
geschlossen.
Die Bestattungsgesetze der Bundesländer stellen den Willen des Verstorbenen über alles andere. Es ist also sehr wichtig, seine Vorlieben schriftlich und klar zu formulieren, auch wenn man nicht so weit gehen will, einen Vertrag abzuschließen.
Fachleute raten ab, solche Informationen ins Testament zu schreiben.
Beim Notar oder beim Amtsgericht hinterlegte Testamente
werden häufig erst nach der Beisetzung eröffnet. Das kann zu spät sein, um bei der Auswahl des Grabes im Sinne des Verstorbenen zu handeln.
Wer zahlt, schafft nicht an!
Die Erben müssen nach geltendem Gesetz die Beerdigung bezahlen. Wenn keine schriftlichen Wünsche vorliegen, bestimmen jedoch die nächsten Angehörigen die Art und den Ablauf der „Totensorge“,
so der Fachausdruck. Also Ehegatten oder Lebenspartner und wenn sie nicht mehr leben, die Kinder. Wenn es auch keine Kinder gibt, die Geschwister. Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten von dem, der bezahlt und dem, der das Sagen hat, können selbst Trauertage in Ärger-Hotspots verwandeln.
(Das Aufmacherfoto zeigt Grab Nr. 40 der Mustergrabanlagen der Landesgartenschau Kamp Lintfort 2020.)