Die Liste der reichen und einflussreichen Unternehmer-Erbinnen ist um einen prominenten Namen länger:
Es ist Ursula Piëch.
Ihr Mann, der bekannte Automanager Ferdinand Piëch, starb unerwartet Ende August mit 82 Jahren. Testament und Verträge, die sein Erbe unter seinen vier Frauen (davon zwei Ehefrauen) und seinen 13 Kindern aufteilen, liegen ausformuliert vor. Schätzungen gehen von einer Milliarde Euro aus, die der Patriarch zu verteilen hatte.
Ferdinand Piëch, geboren am 17. April 1937, stammt aus der Porsche-Dynastie und hat sein industrielles Vermögen in zwei Stiftungen eingebracht. Sie halten seine Stammaktien an der Automobilholding Porsche SE, einer Gesellschaft, welche über die Mehrheit am Autokonzern Volkswagen mit seinen beachtlichen zwölf Marken verfügt. Bisheriger Vorsitzender der Stiftungen: Ferdinand Piëch. Künftige Vorsitzende der Stiftungen: Ursula Piëch.
Goldene Zügel
Das umfangreiche Erbe der Witwe ist an eine weitreichende Bedingung geknüpft. Die 63-jährige darf bis zu ihrem Lebensende nicht wieder heiraten. Bei neuer Bindung verlöre Ursula Piëch ihre Ämter und ihre Dividenden.
Die Aufregung über diese Klausel ist beträchtlich. „Piëchs Witwe darf nie wieder heiraten“, meldete Bild. „Piëch und die goldenen Zügel“, titelte die Süddeutsche Zeitung. Ist ein solches Heiratsverbot „sittenwidrig“ ? befragte das Blatt den Münchner Erbrechtler Bernhard Klinger. Antwort: Nein, nicht sittenwidrig.
Krisenszenario oder Erfolgsstory?
Die Anforderungen an das Erbe von Industriebeteiligungen ist mit dem Nachlass von Grundstücken, Häusern und Aktienpositionen nicht vergleichbar. Die Schwierigkeiten stehen in einem Verhältnis wie eine Himalayaexpedition zu einer Hausbootfahrt. Die weitaus wichtigere Frage lautet: Kann sie das? Hat Ursula Piëch das Zeug, bringt sie die Voraussetzungen mit, um diese wichtigen Ämter auszuüben ?
„Österreichische Wirtschaftsmanagerin“ steht in Ursula Piëchs Wikipedia-Lebenslauf. Das klingt verheißungsvoll. Präziser müsste es freilich heißen: Managerin auf dem zweiten Bildungsweg im Schlepptau ihres Mannes.
Am Anfang ihrer Verbindung stand ein Gesellschaftsskandal. Ferdinand Piëch hatte seinem Vetter Gerhard Porsche dessen Ehefrau Marlene ausgespannt. Zur Arbeitsentlastung seiner neuen Lebensgefährtin wurde ein Kindermädchen engagiert. Es war Ursula, geborene Plassner. Der Hausherr nahm keine Rücksicht auf den Stolz und die Befindlichkeiten ihm nahestehender Personen. Er ließt seine aktuelle Lebensgefährtin Marlene Porsche sitzen und heiratete 1984 seine Angestellte. Das ungleiche Paar war in seinen letzten Jahren unzertrennlich.
Goldener Käfig
Der Aufstieg vom charmanten Habenichts zu einer wichtigen Entscheidungsträgerin der deutschen Autoindustrie ist atemberaubend, aber nicht einzigartig. Es gibt mehr Beispiele entlang der Märchenstrasse weiblichen Erbenmanagements. Die Schlüsselfiguren in den großen Medienkonzernen Springer und Bertelsmann sind eine frühere Erzieherin und eine ehemalige Telefonistin. Beides die Lebensgefährtinnen ihrer Ehemänner in deren letzten Lebensjahren.
Verleger Axel Cäsar Springer (Jahrgang 1912)), verheiratet mit Ehefrau Helga, suchte 1965 mittels einer Anzeige in der Welt eine Erzieherin für seine Kinder. Die hübsche, 23-jährige Friede Riewerts aus einem Gartenbaubetrieb auf der Insel Föhr meldete sich. Sie bekam die Stelle.
1978 wurde Friede die fünfte Ehefrau des bekanntesten deutschen Medienunternehmers (Bild, Welt). Ihr wurden keine goldenen Zügel angelegt; ihr Mann setzte sie in einen goldenen Käfig . „Sie hatte sich auf den Verleger zu konzentrieren – die Bedingung dafür, dass sie bleiben konnte – und sie blieb“, schreibt Friedes autorisierte Biografin Inge Kloepfer. Friede war ihm „Hausdame, Psychologin, Geliebte, Zuhörerin, Vorleserin, Betschwester, als er Gott sucht, und Krankenpflegerin, als ihn ein Schilddrüsenleiden ans Bett fesselt“. (zitiert aus Cicero)
Der Zeitungszar war entschlossen, seine fünfte Ehefrau als Alleinerbin in sein Testament aufzunehmen. Doch seinen Herzdame lehnte ab mit dem Argument, sie wolle keinen Streit mit seinen Nachkommen. Als Axel Cäsar Springer im September 1985 starb, ahnte die betrübte Witwe nicht, welcher Schlamassel ihr bevorstand. Jahrelang stritt der Enkel Sven Springer mit seiner Stiefschwiegermutter um das Testament, das er nicht anerkannte.
Aus dem Schatten gelöst
Der selige Verleger hatte seiner Witwe 66,7 Prozent der Familienholding vermacht, der Rest ging an die Nachkommen. Sie war Haupterbin und gleichzeitig eine von drei Testamentsvollstreckern mit einem selbstbewussten Juristen an der Spitze des Trios. Eine strapaziöse Doppelrolle
Konnte Sie’s? Ihr Pendel schwankte zwischen Angst und Triumph. Die Familienholding besaß nur 26,1 Prozent der Springer Aktien. Friedel Springer kaufte die Verlegerfamilie Burda heraus. Es gelang ihr den Medienunternehmer Leo Kirch abzuwehren und eine Einigung mit den Nachkommen ihres verstorbenen Mannes hinzubekommen. Mit Matthias Döpfner fand Friede Springer einen Vorstandvorsitzenden, der alles kann, was sie selbst nicht kann.
Durchweinte Nächte
Als Friede Springer auf dem European Publishing Congress 2019 für ihr Lebenswerk geehrt wurde, resümierte der Festredner, der Beruf der Erzieherin sei eine fabelhafte Vorbereitung für eine Konzernerbin.Eine Frau, die bockige Kinder bändigen könne, sei auch fähig, der Riege grauer Juristen und Betriebswirtschaftler die Stirn zu bieten, die das Medienbusiness ansonsten überall bestimmen. Der Redner nannte dies die „besondere Gabe im Umgang mit Kindern aller Altersstufen“. Schicksalsergeben begab sich Friede Springer auf die Bühne für ein Interview. Markus Wiegand, Herausgeber des Mediendienstes „kress pro“, versuchte seiner Gesprächspartnerin die Geheimnisse ihres erstaunlich selbstbewußten Vorgehens zu entlocken Ob sie nicht Selbstzweifel überkamen, als sie Mitte der 80er-Jahre bei Springer die Fäden in die Hand nahm? „Ganz viele“, gab die Verlegerin ohne jede Verlegenheit zu: „Ich habe oft Nächte durchgeweint.“
Blut ist dicker als Wasser
Liz Mohn, Jahrgang 1941 und damit ein Jahr älter als Friede Springer, ist die Bertelsmann-Erbin, auf die es am Stammsitz Gütersloh ankommt.
Die zierliche Dame arbeitete als Telefonistin im Unternehmen ihres künftigen Ehemanns Reinhard Mohn. Sie war zunächst die offizielle Geliebte des Bertelsmann-Eigners, der verheiratet war und sich erst scheiden ließ, als seine Kinder aus erster Ehe (mit Liz Mohn hat er drei weitere Kinder) herangewachsen waren. 1982 heiratete Reinhard Mohn seine 20 Jahre jüngere Liz und stattete sie für die Zeit nach seinem Tod (2009) mit höchsten Befugnissen aus. Liz Mohn ist gemeinsam mit Sohn und Tochter die oberste Taktgeberin des Medienkonzerns, ausgestattet mit allen wichtigen Stimm- und Bezugsrechten.
Konnte Sie’s ? Was Liz Mohn wollte, das hat sie erreicht. Sie war auf das Ziel fokussiert, dass ihre eigenen Kinder und nicht die aus der ersten Ehe Reinhard Mohns Schlüsselrollen in dem Medienkonzern besetzen. (Dazu mehr unter dem Stichwort „Bibliothek“).
Die Mitgliedschaft im operativen Unternehmerhimmel überlässt sie ihren Top-Managern.
Frauenpower
Sie können es nicht! Das war noch in der Nachkriegsgeneration die feste Überzeugung der Männerwelt. Frauen und kluge Geschäfte paßten Mitte des 20. Jahrhunderts nicht zusammen. Der bekannte Bankier Hermann Josef Abs war der einflussreichste Kritiker des „Witwenkapitalsimus“ wie er es ironisch nannte. Er verhinderte, dass eine Thyssenerbin in die Geschicke des Stahlkonzerns eingreifen konnte.
In diesem Jahrhundert, bekräftigen die Ehemänner in ihren Testamenten ihre geänderte Überzeugung: Sie können es! Sie können uns ersetzen! Der inzwischen verstorbene Kommentator und Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Frank Schirrmacher, schrieb von der „Männerdämmerung“. Er meinte mit seinem Abgesang Friede Springer, heute Herrscherin über Europas größten Zeitungskonzern. Villeicht dachte er auch an Maria-Elisabeth Schaeffler? Mit 22 Jahren gab die Wienerin ihr Medizinstudium auf und heiratete den zwanzig Jahre älteren Kugellager-Unternehmer Georg Schaeffler aus Herzogenaurach. Nach dem Tod ihres Mannes 1996, begannen unter ihrer Führung turbulente Jahre für die brave Firma aus der Provinz.
Gemeinsam mit Sohn Georg Friedrich Wilhelm Schaeffler (geb. 1964) traute sich Maria-Elisabeth Schaeffler 2008 sogar ein wildes Übernahmepoker des Hannoveraner Reifenherstellers Conti zu. 2015 brachte sie ihre Unternehmensgruppe an die Börse.
In der Schaeffler-Gruppe hängen ebenso wie bei VW/Porsche Wohl und Wehe des Konzerns und damit der Wert des Erbes am Auto. 1918 belegten Mutter und Sohn Schaeffler mit 17 Milliarden Euro noch Platz sechs in der manager magazin Liste der reichsten Deutschen. Wenn sie 2019 diverse Plätze nach hinten rücken, sind sie immer noch weit oben.
Großes Erbe – süßes Leben
Man könnte es sich einfach machen und die These aufstellen, Frauen sind heute die Glanznummern der Unternehmererben. Vergessen wir aber nicht die klassische Variante. Sie wollen es nicht!
Die Französischlehrerin Chantal wurde von dem Unterhaltungselektronik Pionier Max Grundig engagiert, um seine Ehefrau Anneliese zu unterhalten. Zehn Jahre später war sie von Max Grundig schwanger. Der damals größte Rundfunkgerätehersteller Europas ließ sich scheiden und ehelichte die vierzig Jahre jüngere Französin. Als Dank, dass sie ihm seine letzten Lebensjahre versüßt hatte, erbte 1989 die Dame gemeinsam mit Max Grundigs beiden Töchtern fünf bis sechs Milliarden Euro. Chantal Grundig wurde Vorsitzende der Grundigstiftung. Stiftungszweck ist ausschließlich das Wohl der Familie. Die Erbin kümmerte sich keinen Deut um die mehrmals verkaufte Firma ihres Mannes, mit der es bergab ging bis zur Insolvenz 2003. Die „eiskalte Witwe“ (manager magazin) saß und sitzt auf ihren Anwesen in Baden-Baden oder in Südfrankreich und genießt die schier unerschöpflichen Annehmlichkeiten von Max Grundigs Nachlass.
Es lohnt sich nicht, die Spuren der belanglosen Erbin Chantal Grundig weiter zu verfolgen. Aber es ist spannend wie Ursula Piëch den Konflikt zwischen geschäftlicher Tüchtigkeit und den Wünschen von 17 Erbinnen und Erben lösen wird.