“Kohl Witwe verliert vor Gericht!“ So lautete 2021 eine fette Schlagzeile. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte entschieden, Maike Kohl-Richter, die Ehefrau des verstorbenen Bundeskanzlers Helmut Kohl, erhält keine Geldentschädigung für die „Kohl-Protokolle“.
Die Witwe hatte als Alleinerbin auf eine Million Euro geklagt. Diese Summe war ihrem verstorbenen Mann als Geldentschädigung zugesprochen worden. Nach dessen Tod wollte Maike Kohl-Richter die Summe erben. Der BGH entschied: Die Erbin hat darauf keinen begründeten Anspruch.
Die Vorgeschichte ist bekannt. Der frühere Bundeskanzler hatte seine Erinnerungen in vertraulichen Gesprächen einem Ghostwriter anvertraut. Es ist üblich, dass ein Ghostwriter anschließend die Memoiren niederscheibt, weil er das Formulieren gelernt hat. Vor der Veröffentlichung wird das Manuskript dem prominenten Plauderer zur Genehmigung vorgelegt. Er hat das Recht, die Passagen zu streichen, die er nicht veröffentlichen möchte.
Keine Genugtuung der Erbin
Heribert Schwan, so der Name von Kohls Schreib-Stütze, verstieß gegen das Ritual und veröffentlichte diskrete Inhalte der Gesprächsprotokolle ohne Kohls Einverständnis. Der Exkanzler verklagte Schwan vor Gericht und bekam eine Million Euro als Geldentschädigung zugesprochen. Jan Bittler, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der „Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge“ erklärt für testamentprofi den Sachverhalt: Bei einem Geldentschädigungsanspruch wie in diesem Fall steht der „Genugtuungsgedanke“ im Vordergrund. Helmut Kohl hatte die Genugtuung, dass derjenige, der sein Persönlichkeitsrecht verletzt hatte, nicht ungestraft davonkam. Zum Persönlichkeitsrecht gehört das Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild.
Ehe das Urteil rechtskräftig war und Kohl das GEld ausbezahlt werden konnte, verstarb der Politiker mit 87 Jahren am 16. Juni 2017. Einem Verstorbenen kann Genugtuung nicht mehr verschafft werden. Damit war der Geldentschädigung die Grundlage entzogen. Was entfällt, kann natürlich nicht vererbt werden. Da das Persönlichkeitsrecht von Maike Kohl-Richter nicht verletzt wurde, hat sie auch keinen eigenen Anspruch auf Genugtuung.
Diese Entscheidung der Bundesrichter hat Allgemeingültigkeit. Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind grundsätzlich nicht vererblich.
Aber!!!!
Schmerzensgeldansprüche wegen Körperverletzung oder der Beeinträchtigung der Gesundheit sind vererblich.
Wieso dieser Widerspruch? Wenn einem Erben das Gefühl der Genugtuung abgehen soll, dann doch ganz bestimmt der Schmerz, den eine andere Person durch einen Messerstich oder einen Schubs vom Felsen erleiden musste.
Der Gesetzgeber sah das genauso. Schmerzensgeldansprüche waren bis 1990 laut § 847 Abs.1, S.2 BGB nicht vererbbar. Im Lebensalltag hatte die Norm allerdings negative Folgen: Ein „Wettrennen mit der Zeit“, wegen des durch die Verletzung möglicherweise zeitnah drohenden Todes des Opfers war häufig die Konsequenz. Das wollte der Gesetzgeber den Angehörigen durch die Vererbbarkeit ersparen.
Das ist die Begründung, warum seit 32 Jahren Schadensansprüche um Leib und Leben vererbbar sind.
Wäre das Kohlurteil beim Tod des Ex-Bundeskanzlers rechtskräftig gewesen und damit der Anspruch auf die Millionenzahlung, könnte die Kohl-Witwe heute eine Millionen Euro (minus Erbschaftssteuern) mehr ausgeben. Völlig unabhängig von fehlender Genugtuung. Die Erbmasse wäre um diese Summe höher.
(Die Angaben beruhen auf einer Analyse von Fachanwalt Jan Bittler)