Hohe Scheidungszahlen, neue Lebenspartnerschaften, Kinder aus verschiedenen Ehen: In Deutschland leben zwischen sieben und 13 Prozent Patchworkfamilien. Präzisere Zahlen lassen sich wegen der Buntheit der Konstellationen nicht ermitteln.
Der Alltag mit meinen Kindern, Deinen Kindern, unseren Kindern (unserem Kind) ist in Patchworkfamilien nicht ganz unkompliziert. Zur Krise kommt es, wenn ein Elternteil unerwartet stirbt, und für diese Situation nicht vorgesorgt wurde. Niemand hat über die rechtliche Stellung der einzelnen Patchworkmitglieder nachgedacht! Böses Erwachen. Es gibt nämlich keine Rechtsvorschriften im deutschen Erbrecht wie Patchworkfamilien zu behandeln sind, wohl aber den Begriff „Stiefkind“, den die meisten Menschen nur aus Märchen kennen. Eine Gleichstellug von Stiefkindern mit gemeinsamen Kindern kann nur durch eine Adoption erfolgen.
Um die Ecke denken
Die Erfahrung lehrt: Wenn die Partner in einer Patchworkfamilie nicht geheiratet haben, sind die Konstellationen im Erbfall noch komplizierter als wenn das Paar verheiratet ist. Falls die Partner nicht verheiratet sind, kann zum Beispiel jeder Elternteil nur von seinen leiblichen Kindern beerbt werden.
Die Erbrechts-Fachfrau Dagmar Boving hat in der Fachzeitung „zerb“ einen Artikel veröffentlicht, der alle Fallstricke des Erbgangs in Patchworkfamilien aufzeigt. Die „Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge“ hat den Text übernommen und veröffentlicht. Die folgendenn Überlegungen beruhen auf dieser Vorlage.
Beim Erben und Vererben in Patchworkfamilien muss meistens um die Ecke gedacht werden, ähnlich wie bei komplizierten Kreuzworträtseln. Es ist zum Beispiel leicht, ein Stiefkind von der Erbfolge auszuschließen. Da es nicht pflichtteilsberechtigt ist, wird es nicht im Testament berücksichtigt. Schon klappt es. Ist der Partner der Erbe, mehrt sich sein Vermögen. Das wiederum kann bei seinem Tod dessen Kind/Kindern als Erbe/n zu Gute kommen. Das war aber nicht beabsichtigt. Auch hierfür gibt es Lösungen, Umwege, die oft nur Juristen kennen.
Was ist gewollt?
Voraussetzung, um die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist Klarheit. Die Partner müssen wissen, welche Wünsche sie haben. Ist zum Beispiel die Bevorzugung der jeweils eigenen Kinder gewünscht? Oder sollen alle Kinder, die in der Partnerschaft leben, gleich behandelt werden?
Erbrecht- und Familienanwältin Boving gibt präzise Ratschläge, worauf man achten soll. Viele Entscheidungen, das sollte man sich merken, haben Vor- und Nachteile. Oft wird zum Beispiel das eigene Kind als Vollerbe eingesetzt., um es abzusichern. Nachteil: Der überlebende Ehepartner bekommt nichts. Der überlebende Ehepartner wird aber durch die Alleinerbeneinsetzung enterbt und somit pflichtteilsberechtigt. Fachfrau Boving: „Eine Folge, die in der Regel von den Beteiligten nicht gewünscht wird.“ Diese Pflichtteilsberechtigung kann sogar weiter vererbt werden.
Eine andere Lösung, die oft gewählt wird. Im Testament wird der länger lebende Partner zum alleinigen Vorerben erklärt und das eigene Kind/die eigenen Kinder als Nacherben. Diese Fachbegriffe müssen sorgfältig verwendet werden, weil sie andere Abwicklungen des Erbfalls in Gang setzen. Anwälte kennen viele kreative Konstruktionen, die mit der Vor- und Nacherbenschaft, oder auch mit dem Nießbrauchsrecht an Immobilien oder anderen Vermögensteilen, mit dem Pflichtteilsverzicht und sogar einer Dauertestamentsanordnung zu Lösungen schwieriger Situationen führen.
Unsere Kinder sind…..
Kompliziert sind Erbfälle, wenn Kinder aus einer früheren Ehe noch minderjährig sind. Wer hat das Sorgerecht? War es aufgeteilt auf die inzwischen geschiedenen Eltern? Oder lag es ganz bei dem nicht in der Patchworkfamilie lebenden Partner? Geht es auf den verbleibenden Partner über? Wer ist/wird Vormund? Stichworte wie „Verwaltungsanordnung“ oder vom Familiengericht angeordnete „Ergänzungspflegschaft“ oder „Dauertestamentsvollstreckung“ lassen erahnen, wie wichtig Vorkehrungen sind, damit persönliche Rechte nicht auf fremde Personen übergehen.
Weiterhin warnen Erbrechtler davor, in einem Testament das Wort unsere Kinder zu verwenden. Das führt oft zu Missverständnissen bei der Auslegung des Testaments. Wer unsere Kinder schreiben möchte, müsste das präzisieren: „Unsere Kinder sind sowohl unsere gemeinschaftlichen Kinder als auch die Kinder eines jeden von uns aus früheren Beziehungen.“
In der Realität sind die Probleme vielschichtiger und komplizierter als hier kurz dargestellt. Um die Notwendigkeit, ein Testament passgenau zu formulieren, kommen Patchworkfamilien nicht herum!
Es gibt eine gute Nachricht.
Im Erbschaftssteuerrecht sind Stiefkinder den leiblichen Kindern gleichgestellt.
Der Steuerfreibetrag beträgt 400 000 Euro.