Ein spannender Rechtsstreit beschäftigt das Kölner Landgericht. Fiona Streve-Mülhens Achenbach aus der Duftwasser-Dynastie Mülhens (4711) klagt gegen den Vorstand der Stiftung Mehl-Mülhens. Ihre Kritik ist messerscharf: Verstöße gegen den Stifterwillen.
Viele aufregende Erbstreitigkeiten beginnen mit banalen Ereignissen. Auch diesmal war der Auslöser schlechtes Benehmen.
In der Unternehmer-Familie ist es Brauch, im Alter von 47 Jahren und 11 Monaten ein großes Fest zu feiern. Es ist eine Reminiszenz an die Marke 4711, worauf ihr Reichtum und ihre Bekanntheit gründen. Fiona Achenbach wollte jedoch lediglich ihre Verwandtschaft auf Schloss Röttgen einladen. Die von Urgroßvater Peter Mülhens erworbene Residenz ist seit 1985 nicht mehr in Familienbesitz. Sie gehört der Stiftung Mehl-Mülhens.
Urenkelin Fiona schrieb folglich an Stiftungsvostand Günter Paul und bat um einen Besichtigungstermin, weil sie sich vorab in den Räumen umsehen möchte. Nachdem eine Antwort ausblieb, bestimmte sie selbst einen Zeitpunkt und teilte Datum und Zeitpunkt ihres Besuchs der Stiftung mit.
Die Unternehmerin wartete zusammen mit ihrem Mann Peter Achenbach am mitgeteilten Termin vor dem imposanten Eingangstor. (Foto) Es blieb für sie geschlossen. Eine Sekretärin huschte heraus und teilte dem empörten Paar verschämt mit, sie hätten leider keine Erlaubnis, Schloss Röttgen zu betreten. Fiona Achenbach: „Mit dieser Abfuhr ging ich nach vielen Jahren ins Familienarchiv und studierte das Testament meiner Großtante. Wort für Wort. Jetzt kenne ich die Rechte unserer Familie.“
Eine Stiftung für die Vollblutzucht
Um die Empörung nachzuvollziehen, muss man die Vorgeschichte der Stiftung kennen.
Vor über 35 Jahren hatte ihre Großtante. die reiche, aber kinderlose Maria Mehl-Mülhens, ihr gesamtes Vermögen der gemeinnützigen, von ihr errichteten Stiftung Mehl-Mülhens vererbt. Über ihren Tod hinaus wollte die alte Dame die Vollblutzucht in ihrem geliebten Gestüt Röttgen fördern, samt Rennbahn, Forst- und Landwirtschaft und mit 250 Hektar größer als das Land Monaco. Die Familie akzeptierte diesen letzten Willen der leidenschaftlichen Pferdeliebhaberin. Kein Erbstreit, keine Widerrede.
Mit diesem Frieden ist es nach der Testamentslektüre vorbei. Fiona Streve-Mülhens Achenbach hat am 5. Mai 2022 Klage beim Landgericht Köln gegen den Vorstand der Stiftung eingereicht. Der brisante Vorwurf lautet: Die Exekutive hält sich nicht mehr an die Vorgaben des Testaments. Rechtsanwalt Eberhard Rott von der Bonner Kanzlei Hümmerich legal vertritt Frau Achenbach vor Gericht. Rott, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstrecker (AGT), ist ein bekannter Profi in Erbangelegenheiten.
Bundesrepublik, Firma, Familie
Erster Punkt der Klage: Die Großtante hat die Nutzung von Schloss Röttgen präzise in ihrem Testament definiert. Das repräsentative Gebäude steht – so ihr niedergeschriebener Wille – nicht nur der Stiftung zur Verfügung. Die Bundesrepublik Deutschland, die Familie und die Firma dürfen es zu besonderen Anlässen nutzen. Schloss Röttgen ist historischer Boden. Dort handelte Bundeskanzler Konrad Adenauer nach dem 2. Weltkrieg mit den Siegermächten den Deutschlandvertrag aus.
Zweiter Punkt der Klage: Die Familie wird gezielt vom Vorstand ferngehalten, was ebenfalls nicht dem Willen der Erblasserin entspräche. Fiona Achenbach hatte sich im November 2020 um einen Vorstandsposten beworben. Die Bewerbung wurde abgelehnt. „Der amtierende Stiftungsvorstand“ – wundert sich die düpierte Anwärterin – „teilte mir mit, ich wäre nicht qualifiziert genug, das wichtige Amt auszufüllen.“ Unterschrift: Günter Paul. Die angeblich unqualifizierte Dame ist studierte Betriebswirtin und hat die European School of Business (ESB) besucht, sie ist u.a. Vorstandsvorsitzende der Bergbahnen im Siebengebirge AG und spricht mehrere Sprachen.
Bei Auseinandersetzungen um den Letzten Willen einer Person mit großem Vermögen gibt es häufig nicht nur Eindeutigkeiten. Auch in diesem Fall.
Es liegt ein Testament eins und ein Testament zwei vor. Variante eins schreibt von vier Vorstandsmitgliedern, eins davon aus der Familie. Variante zwei, vier Wochen vor dem Tod der alten Dame formuliert, nennt namentlich drei fremde Vorstände. Rott aus seiner Sichtweise: „Wenn drei namentlich benannt wurden, schließt das nicht aus, dass ein viertes Mandat der Familie zusteht. Inzwischen wurde die Tür zugeschlagen, indem ein viertes, familienfremdes Vorstandsmitglied nominiert wurde.“
Mit 65 Jahren ist alles vorbei (eigentlich)
Dritter Anklagepunkt: Laut Stiftungsverfassung gilt für Vorstände eine Altersgrenze von 65 Jahren. Fiona Achenbach: „Diese Altersgrenze ist ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Familie, und für die Stiftung ist sie verbindlich festgelegt.“ In der dem Testament angehängten „Verfassung“ steht zum Thema Alter: „Die Amtsdauer der Vorstandsmitglieder beläuft sich auf je 6 Jahre. Eine Wiederbenennung ist zulässig, jedoch kann niemand benannt werden, der älter als 65 Jahre ist.“ Unter diesen Satz hat die Stifterin ihre Initialen M.M.M. handschriftlich gesetzt.
Diese 65-Jahre-Schranke ist der Klecks im Reinheft des heute 81-jährigen Dr. Günter Paul.
Der Frankfurter Rechtsanwalt hat in Juristenkreisen und unter Rennsportfreunden einen ausgezeichneten Ruf. Er war mehrere Jahre Präsident des Hessischen Staatsgerichtshofs, ist Träger des Bundesverdienstordens 1. Klasse und persona grata der Stiftung. Die Vorteile eines Mäzenatentums mit Stiftungsgeld genießt Günter Paul seit Jahrzehnten.
Seine Schlüsselstellung verdankt er teilweise seinem Vater. Willly Paul war juristischer Berater und engster Vertrauter von Rudi Mehl, dem vor seiner Frau verstorbenen Ehemann. Man kann es förmlich spüren wie die Witwe Maria Mehl-Mülhens ihr grenzenloses Vertrauen zum Vater auf den Sohn übertrug.
Wurde die Stiftungsverfassung geändert?
Offenbar erst kürzlich hat der 81-jährige Jurist sein Stiftungsmandat an seine Tochter Sandra Paul, ebenfalls Rechtsanwältin, weitergereicht. Honni soit qui mal y pense! Auf der Webseite der Stiftung wird ihr Vater weiterhin als Vorstand geführt. (Stichtag 15. Juni). Die Veränderung kann also noch nicht lange her sein. Name und Funktion seiner Tochter sind im Impressum versteckt.
Rechtsanwalt Rott folgert in seiner Klageschrift: Wenn ein Vorstand, der eigentlich mit 65 ausscheiden sollte, circa 15 Jahre später sein Mandat immer noch nicht abgegeben hatte, muss die Verfassung der Stiftung geändert worden sein. Rott: „Eine solche Änderung deckt sich nicht mit dem Willen der Großtante.“ Ob sie damit einverstanden wäre, dass ein 81-jähriger alter Herr weiterhin Geschäftsführer der Stiftung ist, bleibt unbeantwortet. Dazu steht nichts im Testament.
Die Stiftungsverfassung, die Klarheit bringen könnte, ist Geheimsache. Die Stiftung muss sie nicht publizieren, und die Stiftungsaufsicht muss Änderungen genehmigen, aber nicht veröffentlichen. Das Informationsfreiheitsgesetz wird auf Stiftungen nicht angewendet. Meine schriftliche Bitte, zu den Vorwürfen der Familie Stellung zu nehmen, ließ Geschäftsführer Paul unbeantwortet.
Interessant wäre außerdem zu erfahren: Was verdient ein Vorstand bei der Stiftung Mehl-Mülhens, dessen Arbeit auf der eigenen Webseite mit dem Vorstand einer Aktiengesellschaft verglichen wird? Bei einer AG steht das Einkommen im Geschäftsbericht. Bei einer gemeinnützigen Stiftung ist es eine interne Angelegenheit. Es gibt keine neugierigen Aktionäre und keine öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer. War die Angst vor einer unbequemen Offenheit das Motiv, die Bewerbung des Familienmitglieds Fiona abzulehnen? Man kann es spüren, aber nicht wissen.
Zurück zum Anfang: Dem Willen der Stifterin
Das Ziel der Klage gegen eine Stiftung, die von der Leistung der 4711-Dynastie lebt, aber mit der Familie nichts zu tun haben will, ist klar. Die Familie möchte, dass der ursprüngliche Wille der Stifterin weiterhin gilt.
Unabhängig von dem Ausgang des Rechtsstreits ist die Mehl-Mülhens Stiftung ein Lehrstück für Erblasser. Jeder, der eine Stiftung als Erbe eines großen Vermögens einsetzt, sollte die Alarmglocken läuten hören. Nicht immer ist sichergestellt, dass der Wille der Stifterin, oder des Stifters, unantastbar ist.
Das Foto von Fiona Achenbach wurde von R. Klodt bei der Eröffnung einer Fotoausstellung zur Familiengeschichte in der Talstation der Drachenfelsbahn 2020 aufgenommen. Rechtsanwalt Günter Paul hat kein Foto zur Verfügung gestellt. Ein Foto von 2014 findet man unter seinem Namen auf Wikipedia und es gibt Fotos in Veröffentlichungen der Stiftung.
Grüß Gott Herr Arians!
Sie haben im Mai 2023 ihren Kommentar geschrieben und bekommen im August 2024 eine Antwort. Das geht gar nicht. Ihr Beitrag war leider
untergegangen. Geblieben ist die Warnung bei der Einrichtung von Stiftungen nicht verstrauensselig, sondern sehr aufmerksam vorzugehen.
Ich werde das Thema wieder aufgreifen. Danke für Ihr Interesse. Heide Neukirchen.