Kapitalismus ohne Kapitalisten. Eine verlockende Idee, die linke Herzen höher schlagen lässt. Das Konstrukt kommt allerdings aus einer ganz anderen Ecke. Es wurde von Familienunternehmern und Wirtschaftsverbänden entworfen
Das dazugehörende Schlagwort heißt „Verantwortungseigentum“. Mit diesem Konstrukt soll die Firmennachfolge leichter als bisher auch außerhalb der Familie möglich sein, auch steuerlich einfacher.
Wenn eine Firma ohne geeigneten Familien-Nachfolger zu vererben ist, stört dieses Problem den Schlaf der Eigentümer – lange vor ihrem Tod. 227.000 mittelständische Betriebe sind laut einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) auf der Suche nach einer guten Lösung.
Stiftungen sind unbeliebt
Eine Fusion mit einem seit Jahren unangenehm tüchtigen Konkurrenten? Keine sympathische Idee. Börsengang? Eine Hausnummer zu groß. Verkauf? Widerspricht dem Wunsch, das Unternehmen im Sinne des Gründers weiterzuführen.
Oder vielleicht doch die Gründung einer Stiftung? Dafür gibt es zwei große Vorbilder: Es sind der Autozulieferant Bosch und das Optikunternehmen Zeiss. Leider sind Stiftungskonstruktionen kompliziert und schwerfällig. Renate Köcher, Professorin und Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, hat dazu eine Befragung durchgeführt. 79 Prozent der Unternehmer sprechen sich gegen eine Stiftungslösung aus. Auch das Allensbacher Institut gehört einer Stiftung. Keine perfekte Lösung wie Geschäftsführerin Köcher einräumt.
Die Gewinne bleiben in Unternehmen
Die Initiative „Verantwortungseigentum“ will ähnlich wie gemeinnützige Stiftungen kein Eigentum im herkömmlichen Sinn weitergeben, sondern unternehmerische Verantwortung. Es gilt die Führung der Firma nach den Werten der Gründer oder Gründerinnen sicher zu stellen. Stimmrechte und Gesellschafteranteile werden getrennt. Die Gesellschafter haben keinen Zugriff auf die Unternehmensgewinne. Diese stehen der Firma zur dauerhaften Finanzierung zur Verfügung. Laut Allensbach-Recherche kann sich die Mehrheit der befragten Unternehmer die Umsetzung dieser Idee vorstellen. Ein wichtiges Votum, denn nur jeder Zweite der Befragten ist überzeugt, die Firma langfristig in Familienhand halten zu können.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist einer der Wissenschaftler, die das Modell „Gesellschaft in Verantwortungseigentum“ – kurz VE-Gesellschaft – vorantreiben wollen. Fratzscher: „Unternehmen zu gründen, ist eigentlich für alle Menschen eine Herzensangelegenheit. Und da ist es völlig natürlich zu denken, ich möchte, dass das, was ich beruflich tue, einen gesellschaftlichen Wert hat. Ich mache das nicht nur des Geldes wegen. Und das Konzept des „Verantwortungeigentums“ sagt: Als Eigentümer eines Unternehmens (ob ich das jetzt gegründet habe oder übernommen habe) , möchte ich es an andere Menschen weitergeben unter der Vorgabe, dass diese Menschen das Unternehmen weiterführen und eben nicht Kapital daraus abziehen, Vermögen daraus abziehen, um sich persönlich zu bereichern.“
Kapitalismus ohne Kapitalisten!
Bisher ist es nur ein Modell. Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert. Mitte Mai fand in Berlin eine Diskussion zu diesem Thema statt mit den Politikern Armin Laschet, Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Harbeck, Christian Lindner, Peter Altmaier. Das Thema ist in der Politik angekommen!