Glasnevin Cemetery, Dublin, 11 Uhr morgens. Zwei Männer, sie mögen die Fünfzig überschritten haben, schaufeln mit ihren Spaten eine tiefe Grube. Man sieht ihnen an, dass sie diese Tätigkeit nicht gewöhnt sind. In kurzen Abständen wischen sie sich den Schweiß von der Stirn. Einen Tag später wird ein großzügig mit Rosen und Margariten geschmückter Sarg in die ausgehobene Erde gesenkt.
In irischen Familien war es früher gute Sitte, dass die Söhne die Grube auf dem Friedhof für ihren Vater selbst aushoben. Heute erledigen in der Regel Friedhofsangestellte den Job. Nur manchmal, wie an diesem Morgen, werden die Besucher des berühmten Glasnevin Cemetery in Dublin Zeugen des traditionellen Familienrituals.
Der Friedhof ist eine Touristenattraktion
Der irische Nationalfriedhof im Norden der Stadt ist eine herausragende Touristenattraktion Irlands. Hier haben Politiker, Kardinäle, Revolutionäre, Künstler, tausende bekannte und tausende namenlose Bürger ihre letzte Ruhe gefunden. Es heißt, über eine Millionen Tote liegen auf dem riesigen Gelände. Jede Beerdigung wird seit Jahrhunderten schriftlich festgehalten. Die Bände können im Untergeschoss des viel frequentierten Friedhofsmuseums auf Nachfrage eingesehen werden. Wer möchte, kann sich einen Film ansehen über die Entstehung und die Philosophie des Friedhofs. Hier werden die Toten ungeachtet ihrer Konfession beerdigt. Das ist in Irland keine Selbstverständlichkeit.
Hier werden Menschen aller Konfessionen beerdigt
Schon von Ferne sieht man den großen Rundturm am Eingang des Friedhofs. Am Fuße der Sehenswürdigkeit sind die sterblichen Überreste des bekanntesten irischen Freiheitskämpfers der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begraben. Sein Name: Daniel O`Connell ( 1775-1847). Der Politiker trat erfolgreich für die Gleichberechtigung der Katholiken in Irland ein, ua. für die Bestattung auf diesem Friedhof. Die Bewegung ist bekannt unter dem Stichwort „Katholikenemanzipation“. Der Politiker O`Connell scheiterte jedoch mit seinem zweiten politischen Ziel, der Aufhebung der Union zwischen Irland und Großbritannien. Die staatsrechtliche Verbindung der beiden Länder ist also nicht nur ein aktuelles Problem. Es ist ein 250 Jahre altes Streitobjekt.
Die Arbeiten an dem Turm begannen 1854 und dauerten 16 Monate. 1971 wurde das außerordentliche Denkmal durch eine Bombenexplosion teilweise zerstört, neu aufgebaut und 2018 wieder zugänglich gemacht.
Friedhofsruhe hat keine Priorität
Auf dem Glasnevin Cemetery mischen sich normales Leben (Cafe, Souvenirladen) und Schaulust mit Beerdigungsritualen bzw. dem Besuch von Gräbern naher Angehöriger. Im Cafe vor dem Museum in der Nähe des Eingangsturms sitzen Leute, trinken Kaffee und lesen in der Sonne ihre Zeitung.
Einige Gruppen mit Führern schlängeln sich zwischen den Gräbern. Die beliebten Führungen können vorab online gebucht werden. Touristen haben häufig keinen Bezug zu den prominenten irischen Persönlichkeiten, die hier liegen. Es bleibt der Eindruck von der Vergänglichkeit menschlicher Leistungen.
Die Denkmäler des Todes sind teils von knorrigen Wurzeln gesprengt. Auf diesem Friedhof dominieren keine Blumen, sondern Grünflächen, Steine und Kies.
Die praktische Seite: Zum Friedhof fahren Busse. Es stehen auch ausreichend Auto-Parkplätze am Eingang zur Verfügung. Zwei Euro Parkgebühr. Der Besuch des Friedhofs und des Museums kosten keinen Eintritt, jedoch die Führungen und Turmbesteigungen.
Immer wieder interessant zu lesen, und tolle Tips und Anregungen!