„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“
Die populäre Redewendung wird dem Dichter Kurt Tucholsky zugeschrieben.
Rudolf August Oetker, Inhaber des Familienunternehmens gleichen Namens, hatte es gut gemeint. Rechtzeitig vor seinem Tod im Jahr 2007 übertrug der Patriarch jedem seiner acht Kinder aus drei Ehen 12,5 Prozent der Anteile an seinem Nahrungsmittel-, Getränke- und Reedereikonzern. Er legte weiterhin fest, dass die acht Gesellschafter wichtige Entscheidungen mit einer deutlichen Mehrheit von 75 Prozent der Anteile treffen müssen. Der Unternehmer aus Bielefeld setzte fünf Testamentsvollstrecker zur Regelung der Erbangelegenheiten ein.
Er begrenzte ihre Tätigkeit auf 3 Jahre.
Die rote Linie
Vorausschauend war die Entscheidung nicht, seine Nachkommen auf Mehrheiten festzulegen. In dieser Geschwistergesellschaft dominierte der Streit. Die rote Linie verlief – und verläuft – zwischen den fünf Kindern aus den ersten beiden Ehen und den drei Kindern aus der dritten Ehe. Eine interessante Konstellation für ein Psychologie-Seminar. Es wird wohl nicht nur an dem großen Altersunterschied der Nachkömmlinge gelegen haben, dass es bei einer Fülle von Entscheidungen keine Pendler zwischen den Fronten gab. 39 Jahre liegen zwischen der Geburt der ältesten Tochter Rosely (geb. 1940) und der jüngsten Tochter Julia (1979). Die dritte Ehefrau, Marianne (Maja) von Malaise, wachte energisch über das Fortkommen ihrer drei Kinder.
Die Auseinandersetzung illustriert die Erfahrung von Testamentsvollstreckern und Erbanwälten: Ein Testament, welches das Erbe gleichwertig verteilt, ist kein Garant für Frieden unter den Nachkommen. Machtansprüche und atmosphärische Störungen schüren Neid und Hass
Für massive Verstimmungen sorgten etwa Personalentscheidungen: August Oetker (geb. 1944), ältester Sohn aus der zweiten Ehe, wollte nach dem Tod des Vaters die Geschicke des Unternehmens länger als geplant führen. Die drei jüngeren Oetkers aus der dritten Ehe legten ein Veto ein. Aus ihren Reihen sollte Alfred (geb. 1967) der nächste Chef des Unternehmens werden. Als Gegenkandidaten nominierten die Kinder aus zweiter Ehe überraschend aus ihren Bruder Richard (geb. 1951) und setzten ihn als Konzernchef durch. Seit 2016 führt ein familienfremder Manager die Oetker-Gruppe.
So sieht die Zukunft der Oetker-Gruppe aus
Ein hochkarätiges Schiedsgericht wurde schon wenige Jahre nach dem Tod des Patriarchen eingeschaltet, um die Funktionsfähigkeit der Entscheidungsgremien sicherzustellen. Durch die Vermittlung der Schiedsrichter hatte sich die Familie 2015 auf eine neue Besetzung des Beirats geeinigt, der neben der Gesellschafterversammlung das wichtigste Kontrollgremium der Gruppe ist und zum Beispiel Spitzenmanager beruft. Die Oetker-Erben sind reich genug, um teuerste Experten zu bezahlen. Nach Angaben des Rechtsmagazins juve kostete das Schiedsgericht eine siebenstellige Summe.
Die Berater konnten die Erbengemeinschaft jedoch nicht befrieden. Die jetzt beschlossene Aufteilung der Gruppe, sie wäre eine schmerzliche Enttäuschung für Erblasser Rudolf August Oetker gewesen, wird von den Beteiligten sogar als glückliche Lösung empfunden . Alle acht Kinder haben eine Trennungserklärung bereits unterschrieben.
Die Zukunft soll so aussehen: Die Gesellschafter Alfred, Carl Ferdinand und Julia Johanna Oetker übernehmen unteren anderem die Töchter Henkell & Co. Sektkellerei, die Martin Braun Backmittel KG, die Chemiefabrik Budenheim, aus der erfolgreichen Hotelsparte u.a. die Edelherbergen Le Bristol, Paris und Saint-Martin in Vence sowie die Kunstsammlung August Oetker. Der umsatzstärkere Teil mit Lebensmitteln (Pizzen, Backmischungen, Tiefkühltorten und Pudding), die Radeberger Gruppe sowie die bekannten Luxus-Hotels Brenners Park-Hotel in Baden-Baden und das Glamour-Hotel du Cap-Eden-Roc in Antibes, bleiben in der Hand der Gesellschafterstämme von Richard und Philip Oetker, Rudolf Louis Schweizer, Markus von Luttitz ( der seinen Onkel Christian Oetker beerbt hat) sowie Ludwig Graf von Douglas.
Von der Reedereigruppe hatte sich die Oetkerfamilie vor fünf Jahren getrennt und dafür 3,7 Milliarden Euro kassiert. Die Lampe-Bank, die nie zum Kerngeschäft gehörte, steht zum Verkauf.
Die Zerschlagung funktioniert nicht wie eine Oetker-Pizza, die sich mit einem Messer leicht durchschneiden läßt. Die Oetkergruppe (37 000 Beschäftigte, 7,3 Milliarden Euro Umsatz, circa 400 Firmen) ist ein kompliziertes, verflochtenes Konstrukt. 15 Top-Anwälte aus fünf Kanzleien lösen seit Monaten schwierigste gesellschaftsrechtliche und steuerliche Themen.
Die Summe der Honorare für die Aufspaltung wurde noch nicht berechnet.